Prozessmanagementreife in der öffentlichen Verwaltung

SHB-Studentin entwickelt ein Prozessmanagement-Reifegradmodell

Die öffentliche Verwaltung in Deutschland steht vor der Herausforderung, einen Paradigmenwechsel von der funktionsorientierten Organisation zu einer prozessorientierten Organisation zu vollziehen. Um Erkenntnisse über die Qualität und Wirksamkeit des Prozessmanagements der öffentlichen Verwaltung gewinnen zu können, muss dieses analysiert und bewertet und damit die Reife bestimmt werden. Dadurch stellt sich die Frage, ob und inwiefern bekannte Reifegradmodelle auf die öffentliche Verwaltung adaptierbar und welche Änderungen/Ergänzungen vorzunehmen sind. Damit beschäftigte sich Sina Fischer während ihres Studiums am Steinbeis-Transfer-Institut Akademie für öffentliche Verwaltung und Recht an der Steinbeis-Hochschule Berlin.

In ihrer Masterthesis geht Sina Fischer davon aus, dass die derzeit existierenden Reifegradmodelle für Prozessmanagement den Anforderungen der öffentlichen Verwaltung Deutschlands nicht genügen. Daher sollte ein existierendes Reifegradmodell für Prozessmanagement dergestalt adaptiert werden, dass es zum einen den Anforderungen der öffentlichen Verwaltung Deutschlands genügt und zum anderen in Form einer Selbstbewertung durchgeführt werden kann.

Der Adaption lag ein zuvor erstellter Anforderungskatalog zugrunde. Die darin enthaltenen Anforderungen wurden durch die Analyse der Themenbereiche Prozessmanagement (Definition und Inhalte), Unterschiede öffentliche Verwaltung und privater Sektor, Prozessmanagement(aktivitäten) in der öffentlichen Verwaltung, Reifegradmodelle und deren Gestaltung erarbeitet. Auf dieser Basis erfolgte anschließend die Auswahl des zu adaptierenden Reifegradmodells. Sina Fischer wählte das Reifegradmodell Eden für die Adaption aus. Dieses wurde entsprechend adaptiert.

Das adaptierte Prozessmanagement-Reifegradmodell berücksichtigt alle aufgestellten Anforderungen und kann somit im Rahmen einer Selbstbewertung in der öffentlichen Verwaltung Deutschlands eingesetzt werden. Damit trägt es zur Verwaltungsgestaltung und –modernisierung bei.

Die Reifegradanalyse startet immer mit der Ermittlung des Ist-Zustandes des Prozessmanagements in der jeweiligen Organisation. Der Ist- Zustand wird in neun Dimensionen ermittelt. Die Darstellung erfolgt in fünf aufeinander folgenden Reifegraden. Bei gleichzeitiger Bestimmung des Soll-Zustandes in den einzelnen Dimensionen können somit gezielt Optimierungspotenziale/-bedarfe identifiziert und Handlungsmaßnahmen abgeleitet werden. Damit das Reifegradmodell in der öffentlichen Verwaltung tatsächlich effizient eingesetzt werden kann, muss es im nächsten Schritt in eine (Web-)Anwendung und als Funktionalität der Nationalen Prozessbibliothek umgesetzt werden.

Das von Sina Fischer erarbeitete Reifegradmodell ist ein Instrument, um eine erste Reifegradanalyse einer Organisation vorzunehmen. In der reduzierten Form (36 Kriterien) macht es eine ausführlichere Reifegradanalyse nicht überflüssig, sondern kann vielmehr eine Art Vorstufe für diese darstellen.

Da Prozessmanagement und Qualitätsmanagement viele Schnittmengen aufweisen, sollte die Möglichkeit einer Verbindung des Reifegradmodells mit dem Common Assessment Framework (CAF) geprüft werden. Beide Modelle fokussieren die öffentliche Verwaltung und sind als Selbstbewertungsinstrumente konzipiert. Im Ergebnis der (kontinuierlichen) Weiterentwicklung des Prozessmanagement-Reifegradmodells, aber auch des CAF könnte eine beide Aspekte integrierende Lösung entstehen, mit der sowohl die Qualitäts- als auch Prozessmanagementreife bestimmt und kombinierte Auswertungen sowie Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können.

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