Gut geschweißt, Laser!

Steinbeis und Stadtmüller entwickeln innovatives Laserschweißverfahren

Die Typen- und Variantenvielfalt nimmt in vielen industriellen Branchen stetig zu. Die These, dass dies an mangelnder Koordination und einem verbesserungsfähigen F&E-Management in den Unternehmen liegt, ist nur teilweise richtig. „Bei detaillierter Analyse zeigt sich, dass vor allem bei Unternehmen, die zu den Marktführern gehören, die gegebenen physikalischen Gesetzmäßigkeiten und Effizienzanforderungen die Veränderungen von Geometrie und Design notwendig machen. Der Wille, technische Systeme in spezifischen Applikationen bis an die Grenzen des technisch und wirtschaftlich Machbaren auszureizen, ist oft nicht mit ‚Standardkomponenten‘ umsetzbar“, erklärt Professor Dr.-Ing. Herbert Emmerich, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Produktion und Organisation in Pforzheim. Sein Zentrum entwickelte für und mit der Stadtmüller GmbH aus Osterburken ein Verfahren, mit dem Schutzgitter und Motoraufhängungen auch in kleinsten Stückzahlen wirtschaftlich und vor allem nachfrageorientiert hergestellt werden können. Beide Partner arbeiten schon länger sehr erfolgreich zusammen: 2010 erhielten sie für ihr neuartiges Laserschweißverfahren für rotationssymmetrische Bauteile den Transferpreis der Steinbeis-Stiftung – Löhn-Preis.

Da lüftungs- und klimatechnische Anlagen hohe betriebsbedingte Kosten verursachen, sind die Optimierung der Leistungsdaten und die Reduktion der Lärmemissionen wesentliche Anforderungen an entsprechende Systeme. Dies bedeutet gleichzeitig ein starkes Anstei- gen der Typen und Varianten der benötigten Teilsysteme, da die eingesetzten Systeme häufig einen applikationsspezifischen Charakter aufweisen. Das Design und die geometrischen Abmessungen der Berührschutzgitter spielen bei der Energie- und Leistungseffizienz der Gesamtsysteme eine zentrale Rolle. Mit den bisherigen Fertigungs- und Montagetechnologien war die wirtschaftliche Herstellung von kleinen Serien nicht möglich, da ein hoher Aufwand an typspezifischen Vorrichtungen notwendig war.

Im Rahmen des Programms „KMU-Innovativ: Produktionsforschung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gingen das Steinbeis- Team und die Stadtmüller GmbH die Herausforderung an, die in der Vergangenheit erforderlichen fünf Prozessstufen zur Herstellung eines Schutzgitters in nur einem Verfahrensschritt zu realisieren und damit die typspezifischen Kosten für Vorrichtungen und Werk- zeuge sowie die Gesamtdurchlaufzeit eines Produktionsloses drastisch zu reduzieren. Die eingehende Analyse ergab, dass nur durch den Einsatz eines neuartigen Laserschweißverfahrens alle Verbindungsaufgaben in einer Vorrichtung realisiert werden konnten. Die Grundidee zum Lasernachsetzschweißen, das in der Zwischenzeit patentiert ist, war geboren.

Sollen rotationssymmetrische Komponenten miteinander verbunden werden, ergibt sich an der Berührstelle lediglich ein Punkt. Das Laserschweißen war hier bisher nicht möglich, da die Fügepartner eine flächige und spaltfreie Berührgeometrie aufweisen müssen. Beim neu entwickelten Verfahren wird der obenliegende Berührschutzring mit einem feinen Laserstrahl partiell aufgeschmolzen. Dabei entsteht eine im Berührschutzring gefangene Mikroschmelze mit zylindrischer Geometrie, deren Zentrum sich genau im Berührpunkt der beiden Fügepartner befindet. Wird nun die Leistung des Laserstrahls so dimensioniert, dass auch das Material der unten liegenden Komponente mit aufgeschmolzen wird und werden gleichzeitig über von außen wirkende Kräfte die beiden Fügepartner aneinander gepresst, so vergrößert sich der Anbindungsquerschnitt und damit die Festigkeit und Belastbarkeit der geschaffenen Verbindung. Gleichzeitig findet zwischen den Mittenachsen der beiden Fügepartner eine Relativbewegung statt.

Das Projektteam setzte einen Laserscanner ein, den ein Industrieroboter über dem zu verschweißenden Schutzgitter positioniert. Durch das servomotorische Verstellen von Spiegeln innerhalb der Scannereinheit kann der Laserstrahl abgelenkt und genau auf die zu verschweißende Stelle fokussiert werden. Dadurch reduziert sich die Schweißzeit pro Verbindungspunkt auf ca. 200 ms – ein wesentlicher Vorteil, da ein Schutzgitter bis zu 500 Verbindungsstellen zwischen Berührschutzringen und Streben aufweisen kann. Um auch die Rüst- und Programmierzeiten reduzieren zu können, war die Entwicklung einer CAD-CAM-Kopplung zur Generierung der Ablaufprogramme für die robotergestützte Produktionszelle notwendig. Eine Standardlösung stand für derart komplexe Anwendungen nicht zur Verfügung, deshalb entwickelte das Projektteam eine komfortable Offlineprogrammier- und Simulationsumgebung, in die neben dem Industrieroboter, dem Laserscanner, dem Laser und weiteren mechanischen Grundaufbauten der Zelle auch die Sicherheitstechnik integriert wurde. Basierend auf den CAD-Daten der Schutzgitter, wird in einem interaktiven Verfahren ein lauffähiges Ablaufprogramm für die Produktionszelle generiert. Da in der virtuellen Welt erstellte Ablaufprogramme grundsätzlich Positionsabweichungen ausgehend von theoretischen und idealisierten CAD-Daten im Vergleich zu den realen vorrichtungsgebundenen Positionen aufweisen, wurde ein Kamerasystem in die Scanneroptik integriert, mit dem die virtuellen Positionsdaten mit den realen Daten abgeglichen und automatisch korrigiert werden. Schließlich wurde unter Einbeziehung von Komponentenlieferanten, Sondermaschinenbauern und Steuerungstechnikern, eine für die Serienproduktion geeignete Produktionszelle aufgebaut und in Betrieb genommen.

Neben der drastisch reduzierten Durchlaufzeit und der Möglichkeit kleine Losgrößen bei hoher Typen- und Variantenvielfalt wirtschaftlich zu fertigen, haben die mit dem neuartigen Verfahren hergestellten Schutzgitter auch qualitative Vorteile: Sie weisen durch den vergleichsweise geringen Wärmeeintrag beim Laserschweißen gegenüber herkömmlichen Technologien eine sehr hohe Maßhaltigkeit auf, dadurch kann auf zusätzliche Richtvorgänge verzichtet werden.

Die Ingenieure der Stadtmüller GmbH setzen nun die Vorgaben der Kunden aus der Lüftungs- und Klimatechnik in technologisch maßgeschneiderte und wirtschaftlich herstellbare Lösungen um. Damit werden die Kundenanforderungen nach hocheffizienten, applikationsspezifischen Lüftungssystemen geradezu ideal erfüllt.

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