Dialogorientierte Regierungskommunikation

Studie des SVI-Stiftungslehrstuhls für Marketing und Dialogmarketing der SHB

Vor dem Hintergrund vielfältiger gesellschaftlicher Umbrüche unterliegen nicht nur die parteipolitischen Kräfteverhältnisse, sondern auch die Anforderungen an eine gelingende Kommunikation zwischen Regierung und Bevölkerung neuen Regeln. Zur Herstellung politischer Legitimation bedient sich die Regierung verschiedener Kommunikationsinstrumente, um mit der Bevölkerung zu kommunizieren: das Internet, Broschüren, Anzeigen, Plakate oder auch Veranstaltungen transportieren die Informationen der Regierung. Darüber hinaus stellt die Regierung im Rahmen der Presse- und Medienarbeit Informationen für Presse, Hörfunk und Fernsehen bereit, um sie als Multiplikatoren zu nutzen. Ziel ist es, Transparenz über Regierungshandeln herzustellen und die Bürger möglichst umfassend in Reformen einzubinden. Jana Heinze untersucht im Rahmen ihrer Promotion am SVI-Stiftungslehrstuhl für Marketing und Dialogmarketing der School of Management and Innovation an der Steinbeis-Hochschule Berlin Voraussetzungen für gelingende Regierungskommunikation.

Vor diesem Hintergrund führte der SVI-Stiftungslehrstuhl eine empirische Untersuchung der Regierungskommunikation auf Bundes- und Länderebene durch. Ziel war es, eine Landkarte zur empirischen Erfassung der zentralen Untersuchungskategorien der Regierungskommunikation zu entwickeln sowie die Identifikation zentraler akteurs- und systembedingter Rahmenbedingungen. Hierfür wurden zunächst zwölf Sprecher der Bundes- und Landesregierung im Rahmen von persönlichen Expertengesprächen befragt. Nachfolgende empirische Analysen umfassen eine schriftliche Befragung der Länderministerien in Deutschland sowie eine Fokusgruppenanalyse mit Bürgern. Kooperationspartner des Forschungsprojektes ist die Deutsche Post AG.

Forschungsfrage 1 der Untersuchung beschäftigte sich mit der Höhe und Verteilung der Kommunikationsetats und personellen Ressourcenausstattungen der Bundes- und Länderministerien. Unter Einbeziehung der Kommunikationsbudgets großer Unternehmen als Vergleichsmaßstab wird deutlich, dass die Regierung über einen nur begrenzten Etat verfügt, der die Planung und den Einsatz der Kommunikationsinstrumente deutlich einschränkt. Unter Berücksichtigung der Steuerfinanzierung sind die Hürden der Regierungskommunikation im Kommunikationswettbewerb hoch: Während große Unternehmen – im Idealfall – zielgruppengenau ein höheres Kommunikationsvolumen in Form von Anzeigen, Spots und Plakaten generieren können, ist die Regierungskommunikation mit einem vergleichsweise niedrigen Budget dafür verantwortlich, komplexe politische Inhalte an einen großen Bevölkerungskreis zu transportieren. Im Vergleich zu Unternehmen finden sie sich damit in einer Außenseiterposition im Wettbewerb um das knappe Gut der Aufmerksamkeit der Bürger wieder. Entgegen dem Ansatz der Wissenschaft, eine verstärkt ressortübergreifende Kommunikation zu betreiben, kristallisierte sich in der vorliegenden Stichprobe ein Trend zur autonomen Kommunikation der Bundesministerien insbesondere im Verhältnis zum Presse- und Informationsamt der Bundesregierung heraus.

Forschungsfrage 2
fokussierte auf die Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen, die den Wirkungskreis der Regierungskommunikation determinieren. Im Zentrum stehen mediale Veränderungen, die – kombiniert mit einem im Zuge der Individualisierung veränderten Mediennutzungsverhalten der Zielgruppen – mit den Schlagwörtern Wachstum, Beschleunigung und Konkurrenzdruck umschrieben werden können. Vor dem Hintergrund der massenmedialen Veränderungen ist die Regierungskommunikation folglich besonders angehalten, neue Wege in der Zielgruppenansprache zu identifizieren. Es wird deutlich, dass insbesondere (internetbasierte) Dialogkommunikationsinstrumente von den Experten als geeignet betrachtet werden, um den publizistischen Filter zu umgehen und den Bürger unvermittelt anzusprechen.

Im Kontext der Forschungsfrage 3 wurden die relevanten Kommunikationskanäle, die im Zentrum der Regierungskommunikation stehen, untersucht. Sie zeichnen sich durch einen dualen Charakter aus: Während die direkte oder indirekte Medienbeeinflussung in Form der Pressearbeit im Fokus der Tätigkeit der Experten steht, sind direkt an den Bürger gerichtete Maßnahmen wie Kampagnen oder Broschüren zu identifizieren, die jedoch vor dem Hintergrund insbesondere finanzieller Restriktionen im Verhältnis weniger stark ausgeprägt sind. Analog zu den Ergebnissen verschiedener Studien im Kontext der Regierungskommunikation ist hinsichtlich der Gewichtung einzelner Kommunikationsinstrumente ein Bedeutungszuwachs des Internets zu identifizieren. Dialogorientierte Kommunikationsformen loten die Spielräume der Regierungskommunikation neu aus: Der exklusive Informationsaustausch zwischen Regierung und Medien wird aufgebrochen, mit der Chance unvermittelt mit dem Bürger zu kommunizieren und ihn in der Politikgestaltung „mitzunehmen“. Die Regierung fungiert in diesem Kontext im Selbstverständnis als „Kontaktschnittstelle“, die sich nicht von dem Bürger distanziert, sondern als „Sachbearbeiter seiner Interessen“ fungiert.

Im Rahmen der Forschungsfrage 4 wurden der Funktionskatalog der Regierungskommunikation in modernen Demokratien sowie handlungsorientierte Zielsetzungen der Akteure analysiert. Unter der Prämisse der Einbeziehung aller Bürger steht die Information als Grundlage der Legitimationsbeschaffung demokratisch gewählter Institutionen im Mittelpunkt des Funktionskataloges der Regierungskommunikation. Das handlungsleitende Repertoire der Sprecher respektive der politischen Akteure im Hintergrund umfasst neben legitimatorischen Zielsetzungen jedoch parallel auch machtorientierte Zielsetzungen.

Aus der detaillierten Analyse der strukturellen Rahmenbedingungen der Regierungskommunikation ergeben sich unterschiedliche Implikationen für das Modernisierungspotenzial der Regierungskommunikation (vgl. hierzu ausführlich Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2008): Kommunikationsreform. Drei Perspektiven auf die Zukunft der Regierungskommunikation, Gütersloh) (Forschungsfrage 5). Die erste Stellgröße bezieht sich auf die institutionelle Verankerung und Ressourcenallokation der Regierungskommunikation. Das Spannungsverhältnis zwischen der Autonomie der Ministerien und der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, das mit einer Zersplitterung des ohnehin geringen Kommunikationsetats einhergeht, kann zugunsten einer integrierten Kommunikationsstrategie, die ressortübergreifend konzipiert und kommuniziert wird, entschärft werden. In diesem Kontext ist es von hoher Relevanz, die knappen Ressourcen der Regierungskommunikation (Personal und Etat) effektiv und effizient einzusetzen. Es ist dringend erforderlich, die Kommunikationsinstrumente einem stetigen Monitoring im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zu unterziehen. Insbesondere vor dem Hintergrund steigender Kosten und der hohen Streuverluste massenmedialer Ansprachen gehört der aktuelle „Instrumentekasten“ der Regierungskommunikation auf den Prüfstand. Die zweite Stellgröße der Modernisierung der Regierungskommunikation bezieht sich auf die Zielgruppenorientierung und das Dialogpotenzial der Regierung. Während Unternehmen in der Vergangenheit bereits auf diese Entwicklung reagiert haben und eine Umverteilung des Kommunikationsbudgets zugunsten von Dialoginstrumenten vorgenommen haben, steht die Regierungskommunikation in Deutschland noch am Anfang einer nachhaltigen politischen Dialogkultur. Positive Beispiele der Vergangenheit sind beispielsweise Bürgerhaushalte oder die Kommunikationsplattform direktzu.de/aigner. Aus der detaillierten Analyse der strukturellen Rahmenbedingungen der Regierungskommunikation ergeben sich unterschiedliche Implikationen für die Implementierung verschiedener (Dialog)-Kommunikationsinstrumente in die Regierungskommunikation. Strategischer Ausgangspunkt ist und bleibt auch in Zukunft die Pressearbeit in den Ministerien, die in Kombinationen mit dem Internet als Multiplikationstool eine breit angelegte Zielgruppenansprache realisiert. Dem Charakter einer integrierten Kommunikationsstrategie Rechnung tragend, sollte diese Ansprache jedoch verstärkt durch dialogische Kommunikationsformen begleitet werden, die zu einer Stärkung des bürgerlichen Diskurses in der Öffentlichkeit beitragen. Internationale Vorbilder wie die USA zeigen, dass die systematische Einbeziehung des Bürgers im Wahlkampf wie in Regierungszeiten möglich ist.

Kontakt

Jana Heinze
Prof. Dr. Dr. Helmut Schneider

SVI-Stiftungslehrstuhl für Marketing und Dialogmarketing
School of Management and Innovation der Steinbeis-Hochschule Berlin (Berlin/Stuttgart)
su0405@stw.de

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