Moleküldesign für die Gentherapie

Computergestütztes Nukleinsäure-Design zur Gen- und Zelltherapie bei Morbus Gaucher Typ 2

Nukleinsäuremoleküle für die spezifische Abschaltung, Korrektur oder Überexpression menschlicher Genfunktionen sind heute von elementarer Bedeutung in allen Phasen der biotechnologischen Produktwertschöpfungskette. Wichtige Einsatzgebiete sind die Validierung unbekannter Genfunktionen, die genetische Schutzimpfung (Vakzinierung) oder die somatische Gentherapie. Das Steinbeis-Transferzentrum Nucleic Acids Design bietet hoch spezialisierte Dienstleistungen für die Biotechnologie und die medizinische Wirkstoffentwicklung an. Je nach Anforderungsprofil werden auf der Basis selbst entwickelter, erprobter Computerprogramme Nukleinsäuremoleküle entworfen.

Morbus Gaucher, auch Gaucher-Syndrom genannt, ist eine Erbkrankheit und die häufigste der sogenannten lysosomalen Speicherkrankheiten, einer Störung des Fettstoffwechsels. Man unterscheidet nichtneuronopathische (Typ 1) und neuronopathische Verlaufsformen (Typ 2 und 3). Die neuronopathische Form des Morbus Gaucher führt zusätzlich zu den Gaucher-typischen Veränderungen der inneren Organe zu schweren, akuten (Typ 2) oder chronischen (Typ 3) Veränderungen im zentralen Nervensystem.

Die einzige Therapie ist die Enzymersatz- Therapie mit Imiglucerase, einer chemisch abgewandelten Form des menschlichen Enzyms GCase, das das defekte Enzym ersetzt. Das Medikament wird intravenös verabreicht und von den Fresszellen des Körpers gut aufgenommen. Die jährlichen Behandlungskosten pro Patient belaufen sich zwar auf mehrere Hunderttausend Euro, der Therapieerfolg bei Morbus Gaucher Typ 1 ist aber unumstritten. Schäden an Milz, Leber und Knochen können verringert und die Pathologie sogar zum Stillstand gebracht werden. Bei Morbus Gaucher Typ 2 greift die Enzymersatz-Therapie allerdings nicht, da die Blut-Hirn-Schranke für das verabreichte Enzym nicht durchlässig ist: Eine kausale Behandlung der Hirnschädigung bei diesen Patienten ist daher gegenwärtig nicht möglich.

Um dem entgegen zu wirken, wurde 2009 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Konsortium „Innovative Gen- und Zelltherapie für Morbus Gaucher Typ 2“ (InTherGD) gegründet. Zur effektiven Behandlung von Morbus Gaucher Typ 2 muss eine funktionale Form des GCase-Enzyms in allen Organen verfügbar gemacht werden. Das Konsortium entwickelt dazu neue innovative gentherapeutische Verfahren zur Behandlung.

Statt des Enzyms GCase soll dessen genetischer Bauplan, die für das Protein kodierende DNA, mit geeigneten Verfahren in die Zielzellen einschließlich des Gehirns eingeschleust werden, sodass letztendlich die Körperzellen selbst nachhaltig den therapeutischen Wirkstoff produzieren.

Der DNA-Bauplan wird dabei im Zellkern der Zellen zunächst in eine Kopie, die Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) umgeschrieben, die nach dem Export aus dem Kern in das umgebende Zytoplasma dann im Rahmen der Proteinbiosynthese den unmittelbaren Bauplan für die GCase darstellt. In der Effizienz der zellulären Einschleusung besteht eine wesentliche Problematik. Das Konsortium setzt hierbei auf optimierte virale und nicht-virale Gentransfertechniken mithilfe derer der genetische GCase-Bauplan in Muskelzellen oder hämatopoetische Stammzellen (HSZ) geschleust werden soll, um eine kontinuierliche Produktion und Sekretion von GCase sicherzustellen. Damit ein therapeutischer GCase-Spiegel auch im zentralen Nervensystem erreicht wird, werden zwei Strategien verfolgt: Zum einen wird der retrograde Transportmechanismus von Adeno-assoziierten Viren genutzt, die als Gen-Vektoren nach Injektion in verschiedene Muskeln in periphere Nervenzellen des zentralen Nervensystems transportiert werden, wo die therapeutische GCase abgesondert wird und von anderen Zellen in die Lysosomen aufgenommen werden kann. Zum anderen werden HSZ mit Transposon (springenden Genen)-basierten Vektoren und Minicircles (minimalisierter zyklischer DNA) genetisch so manipuliert, dass diese stabil eine lösliche und Blut-Hirn-Schranke-gängige Form der GCase herstellen.

Damit die Therapie letztendlich funktioniert, müssen die aufwendig in die Zellen eingeschleusten GCase-Gene bestmöglich genutzt werden, also maximale therapeutisch relevante Wirkstoffmengen liefern. An dieser Stelle unterstützen die Experten des Steinbeis- Transferzentrums Nucleic Acids Design in Berlin. Das Zentrum ist darauf spezialisiert, mithilfe experimentell erprobter teils patentierter bioinformatischer Methoden die molekularen Strukturen der mRNA so zu modulieren, dass diese wesentlich effizienter in den Zellen zu den therapeutisch aktiven Proteinen weiterverarbeitet werden können.

Die Methoden setzen dabei an verschiedenen funktionalen Abschnitten der mRNA an: Neben der Optimierung des kodierenden Sequenzabschnitts liegt der Fokus vor allem auf der Modulation der regulatorischen 5’ und 3’ nicht-translatierten Bereiche (5’- und 3’-UTR). Mithilfe eines neuen Algorithmus können funktionale RNAs so miteinander verbunden werden, dass die Einzelstrukturen und damit auch die Einzelfunktionen erhalten bleiben. Auf der Basis solch einer aktiven Fusion werden Strukturdomainen an die GCase-mRNA angebracht, die deren Prozessierung einschließlich des Exports aus dem Zellkern in das Zytoplasma erleichtern und die prozessierte mRNA zusätzlich vor den Angriffen abbauender Enzyme schützen. Eine besonders wirkungsvolle Struktur ist beispielsweise das posttranskriptionelle regulatorische Element des Murmeltier Hepatitis- B-Virus.

Unterstützt wird die RNA-Prozessierung außerdem durch ein spleißfähiges Intron, ein Sequenzelement, das nicht als Proteinbauplan dient aber das künstliche Gen strukturell und damit auch funktionell den meisten natürlichen Genen des Menschen angleicht. Zusätzlich wird das 5’-UTR der mRNA zugänglicher gemacht für die Bindung der Ribosomen, aus RNA und Proteinen bestehende Komplexe, die die Herstellung der GCase im Zytoplasma der Zellen einleiten. Alle beschriebenen Techniken verändern nicht das therapeutisch aktive Molekül selbst, können aber dessen intrazelluläre Konzentration signifikant erhöhen. Das in der Optimierung der mRNA-Struktur verborgene Potenzial wurde bisher kaum ausgeschöpft und das Resultat der gleichzeitigen Anwendung dieser und weiterer prinzipiell synergistisch wirkender Verfahren wird mit großer Spannung erwartet. Die Erreichung therapeutisch relevanter GCase-Level in den Zielzellen ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Gentherapie. Komplementiert wird die Strategie der Bereitstellung einer intakten GCase durch gleichzeitige Unterdrückung der bei den Patienten vorliegenden defekten Form, die dann die Funktion des intakten therapeutischen Enzyms nicht mehr stören kann. Der hierfür benötigte spezifische Inhibitor wird ebenfalls am Berliner Steinbeis-Transferzentrum entwickelt.

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