„Für die Zukunft gibt es noch einige Potenziale zu generieren“

Im Gespräch mit Professor Rainer Göppel

Herr Professor Göppel, Sie leiten ein Steinbeis-Unternehmen in einer der wirtschaftlich dynamischsten Regionen Deutschlands, in der Wirtschaft und Wissenschaft erfolgreich an einem Strang ziehen: Die Region Ulm steht für Forschung und Entwicklung, die die Grundlage für Wissens- und Technologietransfer à la Steinbeis bilden. Wie wirkt sich dieses Klima der Innovation auf die Arbeit Ihres Steinbeis-Transferzentrums aus?

Es ist richtig, dass die Region Ulm für Forschung und Entwicklung steht. So sind an der Hochschule Ulm, der Universität Ulm und der Hochschule in Neu-Ulm aktuell ca. 15.000 Studierende immatrikuliert. Der Stadtteil „Oberer Eselsberg“, der offiziell auch den Titel Wissenschaftsstadt führen darf, bietet ca. 10.000 Arbeitsplätze in Forschung und Entwicklung. Steinbeis ist hier in der Region mit zahlreichen Steinbeis-Unternehmen präsent. Nicht vergessen werden darf, dass sich auch außerhalb des Gebiets der Wissenschaftsstadt eine vielfältige Wirtschaftsleistung befindet und das Donautal ein großes Industriegebiet darstellt, das weiteren innovativen und international tätigen Unternehmen als Standort dient.

Die Rahmenbedingungen für eine Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft sind hier optimal, insbesondere für die Studierenden in Bezug auf Praktikumsangebote und vielseitige Möglichkeiten, innovative Themen für Abschlussarbeiten in den ansässigen Unternehmen zu finden.

Unser Transferzentrum profitiert dadurch in zweierlei Hinsicht. Einerseits, dass ein Teil unserer Kunden direkt aus der Region stammt und die kurzen Wege eine einfache Kommunikation und Zusammenarbeit ermöglichen. Ein kurzfristig benötigtes Treffen beim Kunden oder in unserem Transferzentrum ist schnell vereinbart und durch- geführt. Andererseits ergeben sich viele zusätzliche Erkenntnisse zu aktuellen Themenstellungen und zukünftigem Bedarf der Wirtschaft für mich durch meine Lehrtätigkeit an der Hochschule und die damit verbundene Betreuung der Studenten bei ihren Abschlussarbeiten. Diese Erkenntnisse haben einen direkten Einfluss auf das Leistungsportfolio und Dienstleistungsangebot unseres Transferzentrums.

1996 haben Sie das Steinbeis-Transferzentrum TMS Managementsysteme gegründet und führen es bis heute sehr erfolgreich. Welche Ereignisse würden Sie als Meilensteine in der Entwicklung Ihres Zentrums bezeichnen?

Rückblickend würde ich die Entwicklung des Transferzentrums nicht an einzelnen Meilensteinen festmachen wollen, sondern vielmehr am fortwährenden Entwicklungsprozess unseres Dienstleistungsangebots.

Schon sehr früh nach der Gründung unseres Transferzentrums wurde uns bewusst, dass die Themen Management und Engineering nicht einzeln zu behandeln sind, sondern eine gemeinsame Betrachtung verdienen, ja eigentlich erfordern. Innovative Produkte zu entwickeln oder technische Prozesse zu steuern setzt voraus, dass die notwendigen organisatorischen Strukturen vorhanden sind. Im Gegenzug schaffen vorhandene effektive und effiziente organisatorische Strukturen auch wiederum Freiräume und Freiheitsgrade für neue Ideen und Lösungsansätze zu Produkten oder Herstellungsprozessen. Die Fokussierung auf eines dieser Themen ist meist nicht ausreichend.

Eine weitere wichtige Entscheidung und Entwicklung war, Qualifizierung und Beratung für unsere Kunden zu leisten. So bieten wir unsere Kompetenz und Erfahrungen schon seit Jahren in Form von öffentlichen Seminaren, als firmenspezifische Inhouse-Seminare und als Beratungs- bzw. Coaching- Dienstleistung an. Viele unserer heutigen Kundenkontakte sind aus dem Interesse an einem bestimmten Thema, zunächst über die Teilnahme an einem unserer öffentlichen Seminare, gefolgt von einem individuell konzipierten Inhouse-Seminar und einem ge- meinsam geplanten und durchgeführten Beratungsprojekt, entstanden und gewachsen.

Ihr Steinbeis-Transferunternehmen bietet insbesondere Beratung und Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Management und Engineering an. Im Mittelpunkt Ihrer Arbeit steht der Kunde: sein konkreter Bedarf, darauf ausgerichtete zielorientierte Konzeption und praktische Umsetzung, nachvollziehbarer Erfolg und nach- haltiger Nutzen. Welche Projekte und Dienstleistungen werden momentan von Unternehmen besonders nachgefragt?

Aktuelle Projekte bei unseren Kunden betreffen Management-Konzepte wie Prozessmanagement, Projektmanagement, Innovationsmanagement und Produktmanagement. Diese Themen sind in den meisten Unternehmen zwar nicht neu, dennoch vermuten und erkennen die Unternehmen noch ausreichend Verbesserungspotenziale, was sich auch häufig als richtig wahrgenommen herausstellt. Die Grundlagen von Prozess- und Projektmanagement sind meist bekannt und auch umgesetzt. Was die Unternehmen interessiert, ist ihr eigener, aktueller Reifegrad bezüglich dieser Management-Konzepte. Aus diesem Grund sind Reifegradmodelle und -bewertungen zu diesen Konzepten von hohem Interesse.

Die Themen Innovations- und Produktmanagement sind jüngere Managementdisziplinen, weshalb die Unternehmen hierzu eher Prozesse und Methoden kennen lernen möchten und diese entsprechend auch einführen wollen. So gab es beispielsweise speziell zum Thema Produktmanagement in der letzten Zeit einige Anfragen, ob wir, nachdem eine organisatorische Veränderung in diesem Unternehmen stattgefunden hat, eine Unterstützung bei der Gestaltung und Einführung der notwendigen Prozesse und Methoden anbieten könnten. Interessanterweise sind diese Aufgabenstellungen an uns herangetragen worden, nachdem die Organisationsänderung in diesen Unternehmen schon stattgefunden hat.

Zum Engineering bekommen wir zurzeit häufiger Anfragen zum Thema Target-Costing. Hierzu interessieren sich die Unternehmen vor allem für systematische Methoden zur Produktgestaltung und Konzeptanalyse, sowie deren sinnvolle Verknüpfung miteinander.

Oscar Wilde sagte einmal, die Zukunft gehört denen, die die Möglichkeiten erkennen, bevor sie offensichtlich werden. Welche Möglichkeiten und Herausforderungen sehen Sie für Ihr Steinbeis-Unternehmen in der Zukunft?

Die Herausforderung betrifft im Moment die Ermittlung und Weiterentwicklung von vorhandenen und möglichen Synergien zwischen den Themenbereichen Management und Engineering. Dies betrifft beispielsweise die Integration von Engineering-Methoden in die Geschäftsprozesse und Organisationsstrukturen und umgekehrt die benötigten prozessualen und organisatorischen Voraussetzungen für die Anwendung von Engineering-Methoden.

Viele Engineering-Methoden sind erfahrungsgemäß nicht nur für Engineering-Aufgaben geeignet, sondern können auch in Bereichen mit Schwerpunkten von administrativen Aufgaben gut eingesetzt werden. Für die Zukunft gibt es hier noch einige Potenziale zu generieren.

Doch die oftmals interessantesten Herausforderungen ergeben sich meist dann, wenn in unserem Transferzentrum das Telefon klingelt und eine neue Aufgabenstellung nachgefragt wird.

In und um Ulm herum

Die Region „in und Ulm herum“ ist ein attraktiver Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort, der auf eine lange und erfolgreiche Innovationsgeschichte zurückblicken kann. Industriepioniere, wie z.B. Albrecht Ludwig Berblinger (er konstruierte erstmals einen halbstarren Hängegleiter) und Conrad Dietrich Magirus (sein Name ist bis heute ein Synonym für Brandschutz), brachten Ulm durch ihre Erfindungen und neue Produktionsverfahren frühzeitig an die „Spitze im Süden“. Ein anderer Ulmer „Tüftler“, der zwar wenig mit Industrie zu tun hatte, soll nicht unerwähnt bleiben: Albert Einstein wurde in Ulm geboren.

Auch heute ist die Region Heimat von Hochleistungsforschung und nimmt eine wesentliche Rolle in Forschung und Entwicklung ein. Aber von der Idee zur Innovation ist ein langer Weg. Steinbeis unterstützt hierbei mit seinem zeit- und marktnahen, konkreten Wissens- und Technologietransfer und arbeitet mit der Hochschule Ulm, der Universität Ulm und der Hochschule Neu- Ulm zusammen. Darüber hinaus sind weitere Steinbeis-Experten in Zentren außerhalb der Hochschulen und der Universität aktiv.

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