Wahrnehmung in virtuellen Welten

Steinbeis-Forscher untersucht Second Life-Nutzung mittels Eye-Tracking

Second Life ist ein Medium, das sich wachsender Beliebtheit erfreut; Menschen werden sich – privat wie beruflich – in Zukunft vermehrt in solchen Welten aufhalten. Wie Wahrnehmung und visuelle Orientierung dort funktionieren und welche Besonderheiten sich daraus ergeben, untersuchte ein Projektteam um Prof. Dr. Volker Walter am Heidenheimer Steinbeis-Transferzentrum Medien- und Werbeforschung.

Im Rahmen einer explorativen Studie analysierte das Team, wie sich Nutzer in virtuellen Welten orientieren. Zum Einsatz kam dabei das sogenannte Eye-Tracking, mit dem die Blickbewegungen der Probanden erfasst werden können. Auf dieser Basis werden nun am Steinbeis-Transferzentrum Forschungsdesigns für Unternehmen zusammengestellt, die „Second Life“ als Kommunikationsmedium einsetzen und die virtuellen Umgebungen nutzergerecht gestalten wollen. Bereits bei der Entwicklung von sogenannten Repräsentanzen oder ganzen virtuellen Welten kann dabei in gestalterische und bauliche Prozesse eingegriffen werden, um die virtuellen Umgebungen optimal umzusetzen.

Die Untersuchung war nach Art eines Usability Tests qualitativ ausgerichtet, wobei nicht zentral war, wie viele Personen bestimmte Probleme bei der Anwendung oder Orientierung haben, sondern welche unterschiedlichen Probleme überhaupt auftreten. Erfasst wurden die Blickdaten der Versuchspersonen, während diese eine bestimmte Repräsentanz in Second Life besuchten. Das Projektteam untersuchte das virtuelle Strand-Kino der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, da sich dieses noch in der Entwicklung befand und Erkenntnisse aus der Studie in den weiteren Aufbau einfließen konnten.

Wahrnehmung in virtuellen Welten bedeutet zu einem Großteil, sich mit dem eigenen Stellvertreter (Avatar) und der Navigation oder Menüführung auseinanderzusetzen. Während man in der „echten“ Realität unmittelbar spürt und sieht, wo im Raum man sich befindet, muss in der virtuellen Realität permanent ein Abgleich zwischen „Ich“, „Avatar“ und „Umwelt“ erfolgen. Das bindet einen erheblichen Teil der visuellen Aufmerksamkeit.

Wenn nicht unmittelbar einsichtig ist, wie eine Anwendung funktioniert, orientieren sich User an den Verhaltensweisen aus der realen Welt. Der Grund dafür ist einsichtig: Auch wenn eine virtuelle Realität dazu geeignet ist, Dinge anders zu machen als es in der primären Realität physikalisch möglich ist, so orientieren sich User im Zweifelsfall dennoch an ihrer eigenen Erfahrung. Diese ist nach wie vor durch das reale Leben geprägt. Erst mit steigender Nutzungsdauer und -intensität setzt ein Lerneffekt ein, in dem man unterscheidet, inwieweit Dinge in der virtuellen Welt anders funktionieren.

Daraus lassen sich allgemeine Gestaltungsregeln für Präsenzen virtueller Welten in zweierlei Hinsicht ableiten. Zunächst muss (wie beispielsweise auch bei Webauftritten) entschieden werden, mit welchem Ziel und Zweck der Auftritt gestaltet wird. Bei funktionalen Zielen – User sollen Informationen oder Produkte finden und kennenlernen – bietet sich eine starke Orientierung an realen Funktionsweisen an. Andererseits werden gerade von Second Life-Besuchern eher explorative Ziele verfolgt, man will testen, spielen, ausprobieren und gerade das erleben, was in der realen Welt nicht funktioniert. In diesen Fällen sollte man sich geradezu absichtlich von realistischen Funktionsweisen entfernen, um den Spieltrieb der Nutzer zu befriedigen.

Weitere Ergebnisse der Studie finden sich in der Begleitpublikation „Eye-Tracking in Second Life“ (ISBN 3837051595).

Kontakt

Prof. Dr. Volker Walter
Steinbeis-Transferzentrum Medien- und Werbeforschung (Heidenheim)

Seite teilen