Zuverlässige Hilfe im Einklemmfall

Einklemmerkennung für die elektrische Sitzverstellung

Um den wachsenden Komfortansprüchen des Kunden und den fortschreitenden Wettbewerbsanforderungen gerecht zu werden, werden in der Automobilindustrie immer mehr Autos mit elektrischen Sitzverstellungen ausgestattet. Nach deren Einführung arbeiten Ingenieure nun an einem Schutzmechanismus, um Einklemmfälle zu vermeiden. Die Realisierung dieser Sicherheitsmaßnahme gestaltet sich bis heute äußerst schwierig.

Aus Kostengründen muss bei der technischen Umsetzung möglichst auf den Einsatz zusätzlicher Sensoren und weiterer Hardware-Elemente verzichtet werden. Gesucht wird also eine rein softwaretechnische Lösung. Aus vorhandenen Sensorsignalen, wie beispielsweise Drehzahl oder Motorstrom des Verstellmotors, müssen Merkmale abgeleitet werden, die eine Einklemmsituation charakterisieren und damit im laufenden Betrieb einen Einklemmfall eindeutig identifizieren können. Die Ursachen für die Komplexität dieser Entwicklung liegen dabei unter anderem in der Vielfalt der unterschiedlichen Sitzverstellungsmechanismen, in der verschiedenartigen Anatomie der Insassen und deren unvorhersehbarem Verhalten und nicht zuletzt in der großen Anzahl möglicher Einklemmszenarien.

Ein Kennzeichen für das Vorliegen eines Einklemmfalles ist ein starker Drehzahlabfall. Ein solcher Drehzahlabfall entsteht durch Blockierung oder durch eine hohe, abrupt auftretende Belastung des Verstellmotors, da die Sitzverstellung gegen die eingeklemmte Person bewegt wird. Für die Lehnenneigungsverstellung wird häufig ein Getriebe eingesetzt, das im Normalbetrieb bereits starke Oszillationen im Signalverlauf des Verstellmotors verursacht. Das grundsätzliche Problem bei der Erkennung von Einklemmfällen liegt darin, den abfallenden Teil der Oszillationen von den charakteristischen Drehzahleinbrüchen einer Einklemmsituation zuverlässig zu unterscheiden.

Die Steinbeis-Mitarbeiter am Steinbeis-Transferzentrum Fahrzeugelektronik und Mechatronische Systeme in Friedrichshafen beschäftigen sich mit der Realisierung eines softwarebasierten Einklemmschutzes für elektrische Sitzverstellungen. Die Symptome, die mit einem Einklemmfall einhergehen, charakterisieren sie dabei mit Hilfe der Wavelet-Transformation des Drehzahlsignals. Die Abbildung der Merkmale, also die Entscheidung aufgrund der Symptome, ob ein Einklemmfall vorliegt oder nicht, wird mit einem neuronalen Netz vollzogen.

Abbildung a zeigt einen exemplarischen Drehzahlverlauf für einen Lehnenantrieb unter Belastung, Abbildung b dagegen zeigt das Drehzahlsignal in einer Einklemmsituation: hier fällt ungefähr ab dem Zeitpunkt 9300 ms die Signalkurve kontinuierlich ab, das heißt der Motor blockiert aufgrund eines auftretenden Einklemmfalls. Beide Testläufe wurden mit gleicher Sitzbelastung bei einer Betriebsspannung von 13 V aufgenommen.

Trotz der relativ geringen Anzahl von einbezogenen Trainingsdaten für das neuronale Netz arbeitet der Algorithmus sehr zuverlässig. Alle zur Verfügung stehenden Testsignale lassen sich mit Hilfe des trainierten Feedforward-Netzes korrekt auswerten. Auf der einen Seite werden sämtliche Einklemmsituationen erkannt, auf der anderen Seite wird aber auch keine Situation im Normalbetrieb fälschlicherweise als Einklemmer diagnostiziert. Für alle zur Verfügung stehenden Testsignale wird der Großteil der Einklemmfälle spätestens zwischen 200 und 500 ms erkannt. Die Charakterisierung von Einklemmfällen erfolgt unabhängig vom momentanen Drehzahlbereich und von der aktuellen Position des Sitzes. Eine unterschiedliche Belastung des Sitzes beeinträchtigt nicht das Urteilsvermögen des Algorithmus.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Konrad Reif
Steinbeis-Transferzentrum Fahrzeugelektronik und Mechatronische Systeme (Friedrichshafen)

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