Gelungene Firmenübergabe

Systematisch geregelte Nachfolge im Technischen Handel

Rund 70.000 Unternehmen stehen nach Untersuchungen des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Jahr für Jahr vor dem Problem einer Nachfolgelösung. Die Zahl familieninterner Nachfolgelösungen sinkt, während die Zahl der Betriebsschließungen steigt. Dass es auch anders geht, zeigt das erfolgreiche Beispiel eines Technischen Händlers, der durch frühzeitige Weichenstellungen Arbeitsplätze, Auskommen und Unternehmensfortbestand sichern konnte.

Zwischen 2005 und 2010 stehen nach Berechnungen des IfM Bonn rund 350.000 Familienunternehmen zur Nachfolge an. Allein 2005 lag das Potenzial übergabereifer Unternehmen laut IfM bei rund 70.000 Familienunternehmen mit insgesamt rund 680.000 Beschäftigten. Nur etwa 44 Prozent wurden im Rahmen einer familieninternen Nachfolge übergeben, rund acht Prozent mussten in Ermangelung einer geeigneten Nachfolgelösung allein 2006 stillgelegt werden. Laut einer aktuellen DIHK-Umfrage berichtet ein Drittel aller befragten Senior-Unternehmer, keine geeigneten Nachfolger finden zu können.

Dabei wird nicht nur der Mangel familiärer Nachfolger zum Problem, in vielen Branchen wirken spezifische Besonderheiten einereinfachen Lösung entgegen. So verfügen gerade Technische Händler als verbindendes Glied zwischen Produktion, Verarbeitung, Gewerbe und Industrie über intensive und langjährige Verbindungen, die eben gerade nicht nur über den Warenpreis definiert werden können. Hier spielen Lieferkonstanz, Termintreue, Vertrauen oder das Eingehen auf kundenspezifische Wünsche und Besonderheiten oft noch wichtigere Rollen, als der wettbewerbsfähige Preis. Viele Technische Händlerbetriebe sind mittelständisch geprägt, oft arbeiten darin mehrere Familiengenerationen miteinander. Fehlt es jedoch an geeigneten Nachfolgern, gehen mit Ausscheiden des Inhabers das oft über Jahrzehnte erworbene Know-how sowie zahlreiche persönliche Kontakte schlagartig verloren.

Es bleiben dann nur familienexterne Nachfolgelösungen. Erfolgsentscheidend für die externe Nachfolge ist der sogenannte Matchingprozess, die Zusammenführung von Übernehmer und Unternehmen. In Eigenregie verläuft dieser Findungs- oder Matchingprozess weitgehend zufällig und unsystematisch, was eine entsprechend verschwindende Trefferquote zur Folge hat. Unter zunehmendem Zeitdruck werden sogar reine Finanzinvestoren in Erwägung gezogen, die vielleicht noch das persönliche Auskommen des Firmeninhabers, weniger hingegen den Unternehmensfortbestand oder gar die Weiterbeschäftigung aller Mitarbeiter im Fokus haben. Oft gehen überzogene Renditeforderungen reiner Finanzinvestoren zu Lasten des mittel- bis langfristigen Unternehmenserhalts.

Vor dem Problem der Nachfolgeregelung stand auch Johannes Bogner (Name geändert), 62-jähriger Alleininhaber eines in zweiter Generation geführten Technischen Großhandels. Ziel des Nachfolgeprozesses war es, die eigenen Unternehmensanteile möglichst optimal zu verkaufen, um ein angemessenes Altersauskommen zu sichern, dem langjährig eingespielten Mitarbeiterteam eine weitere Existenz zu garantieren und nicht zuletzt auch den elterlichen und in der Branche angesehenen Traditionshandel in seinem Fortbestand zu sichern. Der Verkaufsprozess durfte nicht zu lange dauern, da Unternehmenseigner Bogner dem Konjunkturverlauf nicht traute: „Eventuell sinkende Umsätze und Gewinnmargen hätten unweigerlich die Senkung des Firmenwertes zur Folge gehabt. Zudem erwarteten die Mitarbeiter eine mittelfristige Perspektive.“

Durch eine erste, eher zufällige Maklerbeauftragung verlor Bogner wertvolle Zeit, da der Beauftragte nicht mit den notwendigen Branchenspezifika vertraut war. Bogner: „Leider orientierte sich der Makler zu sehr an Immobilien- und Warenwerten, unsere Reputation sowie die langjährig bewährten Firmenkontakte wurden kaum berücksichtigt.“ Zudem wurden zu wenig Kaufinteressenten gleichzeitig angesprochen, die Käuferdaten waren schlecht recherchiert, und in der Folge entstanden nur wenige Gesprächs- und Präsentationstermine.

Im zweiten Schritt ging Bogner die Suche systematischer an. Durch Materialprüfungsaufträge und ein Markt- und Technikgutachten hatte er bereits Kontakte in den Steinbeis-Verbund. Neu war ihm, dass mit der Steinbeis Mergers & Acquisitions auch eine gerade auf den Technischen Handel spezialisierte Unternehmensberatung mit zuverlässigen Referenzen existiert. Schnell erkannte er nach der Beauftragung, dass sich der Ablauf deutlich von seinem Erstversuch unterschied. Managing Partner Steffen Lohrer: „Begonnen haben wir mit einer detaillierten Situationsanalyse der Stärken und Schwächen. Dies war für die spätere Verhandlungsführung insofern wichtig, als wir von vornherein mit den Stärken und Schwächen offensiv gegenüber dem Käufer auftreten konnten.“ Außerdem wurde ein Kurz-Memorandum über das Unternehmen erstellt, damit ein potenzieller Käufer einen schnellen Überblick bekommt.

Anschließend führten die Steinbeis-Experten eine Marktrecherche durch und selektierten 80 potenzielle Käufer und Investoren. Bogner berichtet: „In enger Absprache mit mir entstand daraus eine „short list“ mit 30 ausgesuchten Adressen, die Steinbeis M&A dann ansprach. Parallel dazu machte sich das Team daran, eine Unternehmensbewertung zu erstellen.“ Steinbeis-Experte Jürgen Rehberg erläutert die branchenspezifischen Bewertungsfaktoren: „Zur Zeit liegt der branchenübliche Faktor je nach Produktpalette, Wachstum, Ertragssituation und Umsatzgröße zwischen 4 und 7. Eine zweite und genauere Bewertung wurde mit der Discounted Cash Flow-Methode erstellt. In den Verhandlungen wird natürlich die Methode verwendet, die den höheren Wert ausweist.“

Die Investoren der „short list“ wurden mit dem anonymisierten Verkaufsangebot angeschrieben und kurz danach bei allen persönlich nachgefasst. Die Ergebnisse sämtlicher Telefonate wanderten in einen Status-Bericht, den Bogner jeweils zum Wochenende mit Kommentaren vorgelegt bekam. Diese Vorgehensweise erbrachte acht Terminwünsche seitens der potenziellen Käufer innerhalb von zwei Monaten. Darunter wurden sehr vorsichtig, mit der Argumentation, dass man einen strategischen Wachstumspartner sucht, auch zwei direkte Wettbewerber angesprochen. Das Ergebnis konnte sich deshalb sehen lassen, wie Johannes Bogner feststellt: „Nach insgesamt drei Monaten wurden sechs Kaufangebote abgegeben, drei
davon waren sehr interessant.“

Schnell wurde eine Absichtserklärung mit einem der Bieter vereinbart, in der alle Eckpunkte für die Übernahme festgelegt wurden. Bogner weiter: „Es wurde aber doch noch einmal spannend, denn wir erhielten daraufhin eine Absage. Man traute der zweiten Managementebene die Führung nicht zu.“ Doch es gab auch hierfür eine Lösung,wie Steffen Lohrer resümiert: „Ein Glücksfall war der systematische Auswahlprozess mit drei letzten Bietern. Nach Ausfall des ersten Kandidaten konnte der zweite sofort in die Endverhandlung eingebunden werden. Interessanterweise war es letztendlich doch der direkte Wettbewerber aus der Heimatregion, der die meisten Synergien erzielen und dadurch auch einen hohen Kaufpreis zahlen konnte.“

Nach den ausgiebigen Preisverhandlungen erfolgte die abschließende Due Diligence-Prüfung des Käufers, bei der in der Regel die Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Steuerberater des Käufers das Unternehmen nochmals durchleuchten. Da alle Daten undFakten gut auf- und vorbereitet waren und keine unbekannten Risiken gefunden wurden, entstand anschließend der Endvertrag. Dennoch gab es einige Stolpersteine, bei denen die Verhandlung fast abgebrochen wurde. Steffen Lohrer über seine Mittlerrolle: „Nach langen Diskussionsrunden konnten wir als Moderator doch immer wieder eine Win-Win-Situation herstellen, die im direkten Gespräch zwischen Käufer und Verkäufer schon situationsbedingt oft suboptimal verlaufen kann.“ So hat Johannes Bogner alle angestrebten Ziele – Kaufpreisoptimierung,
Mitarbeiterbeschäftigung und Unternehmensfortbestand – doch in einer Zeit von acht Monaten erreicht. Seine Sorgen in Bezug auf Standorterhaltung und Arbeitsplatzgarantie für alle Mitarbeiter hatte der Käufer letztendlich akzeptiert und die Vereinbarung darüber auch eingehalten.

Steffen Lohrer resumiert: „Zum Erzielen eines maximalen Verkaufspreises und bei der Suche nach dem passenden Käufer empfiehlt sich auf jeden Fall die Umsetzung eines systematischen Verkaufsprozesses. Nur wenn man in einem zeitlich straffen Prozess zeitgleich mit mehreren potenziellen Käufern verhandelt, kann man am Ende die Synergien und den Kaufpreis optimieren.“ Im Fall von Bogner war der Technische Händler hochzufrieden, da das Ergebnis selbst seine anfänglichen Erwartungen überstieg und er nun beruhigt sein Lebenswerk aus der Hand geben konnte.

Kontakt

Steffen Lohrer, Jürgen Rehberg
Steinbeis-Beratungszentrum Mergers & Acquisitions (Stuttgart)

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