„Ressourceneffizienz ist ein Wachstumsmarkt“

Im Gespräch mit Dr. Bertram Lohmüller, Leiter des Steinbeis-Innovationszentrums Nachhaltige Ressourcennutzung und Energiebewirtschaftung

Dr. Bertram Lohmüller setzt sich in der TRANSFER mit dem Thema nachhaltige und effiziente Ressourcennutzung auseinander und geht der Frage nach, welche Rolle die sozialen Aspekte dabei spielen. Er denkt auch über die zukünftige Entwicklung in diesem Bereich nach.

Herr Dr. Lohmüller, wie kam es dazu, dass Sie – Bauingenieur und Marketing-MBA-Absolvent – sich intensiv mit der Frage der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen beschäftigen?

Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz sind Bestandsteil des Bauingenieurstudiums und im Ingenieurbau gilt es insbesondere, nachhaltige Konzepte zu berücksichtigen. Als Ingenieur interessieren mich technologische Fragestellungen. Bereits bei meiner ersten Arbeitsstelle, bei Bilfinger in Mannheim, habe ich mich intensiv mit Umweltfragen beschäftigt und an innovativen Verfahren zur nachhaltigen Abdichtung von Deponien und Sanierung von Abwasserkanälen gearbeitet. Fragestellungen und Lösungsansätze zur nachhaltigen Stadtentwicklung und Energieversorgung haben mich intensiv in meiner Zeit als Gemeinderat der Stadt Tübingen, als Mitglied im Umweltausschuss und im Aufsichtsrat der Stadtwerke Tübingen begleitet. Bis heute ist die nachhaltige Nutzung von Ressourcen ein wichtiges Geschäfts- und Forschungsfeld – national wie international. Um aber neue Technologien und Konzepte im Energiebereich und der Ressourcennutzung erfolgreich realisieren zu können, ist es erforderlich, dass diese vom Markt akzeptiert und nachgefragt werden. Deshalb sind für mich die Themenfelder Technologie und Business Development eng miteinander verknüpft. Im Steinbeis-Innovationszentrum sind die Kompetenzen für nachhaltige Energiebewirtschaftung und Ressourcennutzung gebündelt, die in das Masterstudium Global Technology Management am Steinbeis-Transfer-Institut Steinbeis Global Institute Tübingen fließen. Eine weitere Verknüpfung besteht über die Kooperation mit der Export-Akademie Baden-Württemberg.

Wie kann aus Ihrer Sicht eine nachhaltige und effiziente Ressourcennutzung gewährleistet werden und welche Rolle spielen dabei die sozialen Aspekte?

Nachhaltige Ressourcennutzung spiegelt sich in den Wertvorstellungen und Verhaltensweisen von (produzierenden) Unternehmen und Verbrauchern. Zudem werden laufend neue und verbesserte Technologien und Nutzungskonzepte entwickelt. Ein wichtiger Treiber dafür ist die Digitalisierung (Internet of Things), mit der die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern wie von Autos, Fahrrädern und Räumen möglich ist – Share Economy. Global betrachtet ist es wichtig, Technologien und Umsetzungsstrategien für nachhaltige und effiziente Ressourcennutzung von Europa auf andere Länder zu übertragen. Insbesondere Schwellenländer stehen vor der Herausforderung, neue Lösungsansätze im Umgang mit steigender Umweltverschmutzung und den knapper werdenden Ressourcen zu realisieren. Ich bin überzeugt, dass nur ein „neues globales Bewusstsein“ im Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen dazu beiträgt, dass nachfolgende Generationen eine gute Lebensgrundlage haben. Um ressourceneffiziente Konzepte weltweit umzusetzen ist es daher erforderlich, sogenannte Experten oder Multiplikatoren auszubilden. Deshalb arbeiten wir eng mit Partnern in Argentinien, Brasilien, Europa, Indien und im Iran zusammen, um dort unseren Masterstudiengang in Global Technology Management zu platzieren. In diesem Studiengang sind die Themenfelder der nachhaltigen Ressourcennutzung, erneuerbare Energien und Internet of Things als wichtige Technologie- und Forschungsfelder fest integriert.

Einer der Schwerpunkte Ihres Steinbeis-Unternehmens liegt auf dem Gebiet der Bioökonomie. Mit welchen Problemstellungen kommen Ihre Kunden zu Ihnen?

Ein gutes Beispiel dafür ist das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsprojekt „Polykultur von Asacus astacus (Europäischer Edelkrebs) mit Coregonos Wartmanni (Bodenseefelchen oder großer Maräne)“. Ausgangspunkt für das Projekt ist die zunehmende Bedeutung der Fischzucht zur Sicherstellung der weltweiten Proteinversorgung. Übertragen auf Europa besteht die Herausforderung darin, hochwertige Bioprodukte mit regionaler Produktion in einem hochpreisigen Marktsegment herzustellen. Mit der Zucht des vom Aussterben bedrohten Süßwasser-Speisekrebses in einer neuartigen Polykultur gemeinsam mit einem stark nachgefragten regionalen Speisefisch wird dieser Herausforderung Rechnung getragen. Für das neue Zuchtverfahren werden neue Futtermittel sowie Technologien für Kreislaufanlagen und Teichanlagen entwickelt und getestet. Zudem wird gemeinsam mit allen relevanten Akteuren im Markt ein passgenaues Geschäftsmodell konzipiert. Eine Herausforderung ist außerdem die regionale Vernetzung aller am Markt für Bioprodukte beteiligten Akteure. Aktuell arbeiten wir an ersten Überlegungen zum Aufbau einer Online- Plattform zur Optimierung der Wertschöpfungskette für nachhaltiges Wirtschaften im Bereich von Bioprodukten. Ziel dieser Plattform ist es, Fairness und Transparenz in der Wertschöpfungskette (Rückverfolgbarkeit), als auch ein gegenseitiges Verständnis vom Erzeuger bis zum Verbraucher im Bereich der (Ernährungs-)Wirtschaft zu fördern. Ein weiteres Projekt ist die Entwicklung von neuartigen Plattenmembranen für die Ultrafiltration von Wasser. Durch ein neues technologisches Verfahren und eine Optimierung der Membrane soll die Energieeffizienz von Ultrafiltrationsanlagen erhöht werden, um damit Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung und zur Aufbereitung industrieller Abwässer wirtschaftlicher zu betreiben.

Nachwachsende Rohstoffe sind ein wichtiges Thema, wenn es um eine nachhaltige Ressourcennutzung geht. Welche Auswirkungen haben diese auf die Umwelt – in positiver wie negativer Hinsicht?

Das Themenfeld nachhaltige Rohstoffe erforschen wir aktuell in zwei internationalen Innovationsclustern mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Verwaltungen und Unternehmen. Dort geht es um die nachhaltige Nutzung von Biomasse in der Donauregion. Neben der Nutzung von natürlich vorhandenen Ressourcen steht der Anbau von schnell nachwachsenden Gehölzen in Plantagen für die Nutzung als Biomasse im Vordergrund. Basis für das Projekt ist eine Bestandsaufnahme vor Ort, um daraus regionale Nutzungskonzepte für nachwachsende Rohstoffe abzuleiten. Dabei müssen regionale Gegebenheiten berücksichtigt werden, um eine mögliche Überbewirtschaftung und eine damit verbundene Gefährdung des Ökosystems zu vermeiden. Energetische Engpässe können durch die Nutzbarmachung bisher ungenutzter Biomasse wie auch durch den Anbau von schnellwachsenden Pflanzen in Plantagenwirtschaft ausgeglichen werden. Im Rahmen des Forschungsprojektes werden dafür neue Methoden erforscht. Diese Anpflanzungen gilt es ebenfalls an die regionalen Rahmenbedingungen anzupassen, um eine optimale Nährstoffverwertung zu gewährleisten und die Donau selbst von ungeregelten Nährstoffeinträgen zu entlasten. Ein weiteres Ziel besteht darin, neue hochmechanisierte Ernteverfahren für Biomasse sowie Technologien zur Weiterverarbeitung zu Energierohstoffen zu entwickeln und deren Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Eine Nutzung nachwachsender Hölzer und Gräser als Biomasse zur Verbrennung oder Vergasung ist aber zu kurz gedacht. Vielmehr geht es um den Aufbau und die Steuerung von Stoffkreisläufen zur intelligenten Biomassenutzung. Dabei müssen Wertschöpfungsketten zur Verarbeitung von hochwertigen Hölzern zu Produkten aufgebaut und Holzabfälle in einem Sammelsystem erfasst und gemeinsam mit anderen Rohstoffen zur energetischen Nutzung verwertet werden.

Die nachhaltige Nutzung von Ressourcen wird auch in Zukunft ein großes Thema bleiben. Welche Fragen bzw. Probleme werden aber aus Ihrer Sicht demnächst in den Vordergrund treten?

Ressourceneffizienz ist ein Wachstumsmarkt. Bevölkerungswachstum, steigender Wohlstand und der Trend zur Urbanisierung führen zu einer steigenden Nachfrage nach Ressourcen und zur Verknappung von Rohstoffreserven. Den Druck, umwelt- und ressourceneffiziente Technologien zu entwickeln, sehe ich insbesondere in den Bereichen Energie, Wasser, Lebensmittelproduktion und neue Werkstoffe. Aufgrund dieser unterschiedlichen Herausforderungen und der damit verbundenen Komplexität müssen neue Konzepte entstehen, in denen technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen eng miteinander verknüpft sind. In den westlichen Ländern wird diesen Herausforderungen mit Technologieentwicklungen sowie neuen Konzepten der Share Economy, Bürgerbeteiligung und Smart City begegnet. Global betrachtet liegt aber die größte Herausforderung darin, Schwellenländer bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen. Westliche Technologien müssen mit frugalen Innovationen, auch Low Cost Innovationen genannt, an die regionalen Bedürfnisse in den Schwellenländern angepasst werden. Mit neuen Produkten und Dienstleistungen zur nachhaltigen Ressourcennutzung können dort neue Arbeitsplätze geschaffen und die Lebensqualität erhöht werden. Für uns als Steinbeis-Innovationszentrum ist das ein Ansporn, unser globales Netzwerk weiter auszubauen und gemeinsam mit unseren Partnern neue Konzepte des Technologietransfers technologisch, wirtschaftlich und sozial zu entwickeln und umzusetzen.

Kontakt

Dr. Bertram Lohmüller leitet gemeinsam mit Norbert Wagemann das Steinbeis-Innovationszentrum Nachhaltige Ressourcennutzung und Energiebewirtschaftung. Das Dienstleistungsangebot des Steinbeis- Unternehmens umfasst den Aufbau von nationalen und internationalen Innovationsclustern, die Durchführung von Forschungsvorhaben sowie die Beratung bei Forschungskooperationen.

Dr. Bertram Lohmuller
Steinbeis-Innovationszentrum Nachhaltige Ressourcennutzung und Energiebewirtschaftung (Tubingen) SU1935@stw.de

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