Pencil, Paper, Programming

Steinbeis-Experten in der App-Entwicklung

Wer Software mit einem hohen Grad an Benutzerfreundlichkeit entwickeln möchte, sollte bereits in frühen Phasen des Entwicklungsprozesses Prototypen nutzen. Zu Beginn eignen sich einfache Papierprototypen hervorragend zur Darstellung des grundlegenden Interaktionskonzeptes und zur Absprache zwischen Beteiligten. Das zeigt auch die Zusammenarbeit des Steinbeis-Transferzentrums Usability und innovative interaktive Systeme zur Informationslogistik und der Utilitas GmbH aus Aachen.

Mit Urlaub lässt sich arbeiten. Für die Zusammenarbeit von Prof. Dr.-Ing. Thomas Ritz, Leiter des Aachener Steinbeis-Zentrums, und Peter Haupt, Geschäftsführer der Utilitas GmbH, spielt er sogar eine ganz wesentliche Rolle:

Bei der Entwicklung einer mobilen App zur betrieblichen Urlaubsverwaltung lieferten die Softwareentwickler der Utilitas GmbH das technische Know-how, während die Steinbeis-Experten für das Usability Engineering zuständig waren. „Für mobile Apps gibt es keine Schulungen!“ – genau darin, so Peter Haupt, lag die Motivation für die Zusammenarbeit mit dem Aachener Steinbeis-Team, das viel Wert auf die nutzerzentrierte Entwicklung legt und über verschiedene Usability Engineering Methoden für den Mobilbereich verfügt.

Bei der Entwicklung mobiler Apps müssen zahlreiche Besonderheiten bedacht werden, vor allem die Nutzungsumgebung des Anwenders „von unterwegs“ und die Styleguides der verschiedenen Plattformen, deren Bedienkonzepte die Nutzer gewohnt sind. Bei der Entwicklung der App für Urlaubsverwaltung kam zusätzlich hinzu, dass die Konsistenz zwischen der bereits vorhandenen Desktop-Anwendung und der jeweiligen mobilen Plattform hergestellt werden musste. Das Interaktionsdesign umfasste insgesamt drei Plattformen: iOS, Android und WindowsPhone.

Mit einem intuitiven Interaktionsdesign für die drei Plattformen, das neben den offiziellen Styleguides bekannte Interaktionsmuster von der bereits entwickelten Desktop-Version der App berücksichtigt, konnte die Basis für eine hohe Nutzerfreundlichkeit („Usability“) geschaffen und der Wiedererkennungswert der App sichergestellt werden.

Der Funktionsumfang der vorhandenen Web-Applikation für den Desktop wurde speziell für die mobile Variante reduziert, da der Nutzungskontext variiert: Bei der Nutzung am Arbeitsplatz stehen dem Nutzer der Desktop-Applikation Funktionen wie die sorgfältige Urlaubsplanung und -verwaltung ganzer Abteilungen aus Perspektive des Vorgesetzten und der Personalabteilung zur Verfügung. Die mobile App konzentriert sich auf Grund der Nutzung von unterwegs auf reduzierte Funktionen zur schnellen Urlaubsbuchung und -genehmigung. Zur Absprache der Struktur und Interaktionsmuster der mobilen App nutzte das Steinbeis- Team zunächst Papierprototypen, die ein schnelles Skizzieren der Funktionen und des gesamten Screenflows ermöglichten. Dadurch konnte das Grundkonzept zügig und mit wenig Aufwand angepasst und schließlich abgesegnet werden.

Für die Entwickler der Utilitas und die Interaktionsdesigner des Steinbeis- Transferzentrums Usability und innovative interaktive Systeme zur Informationslogistik standen somit erste Anforderungen an die technische sowie die gestalterische Umsetzung fest. Im nächsten Schritt gestalteten die Steinbeis Interface Designer repräsentative Screens wie die Übersicht der Urlaubsanträge und die Formulare zur Urlaubsbuchung visuell aus. Die in Photoshop erstellten Screens dienten den Programmierern der Utilitas als Vorlage zur Implementierung. Zur Erstellung von Prototypen als Vorstufe zur finalen Software eignen sich auch spezielle Prototyping-Tools. Besonders für Apps mit hohem Funktionsumfang ist es ratsam, diese Tools zu nutzen, um einfache interaktive Prototypen zu entwickeln und den Detailgrad stufenweise zu steigern. In der nutzerzentrierten Softwareentwicklung haben iterative Usabilitytests oberste Priorität. Daher wird am Steinbeis-Transferzentrum mit Endnutzern und den entwickelten Prototypen unterschiedlicher Reifegrade getestet. Somit lässt der Prototyp sich über mehrere Iterationen optimieren, idealerweise bis ein hoher Grad an Usability erreicht ist. Dieser lässt sich anhand vorher festgelegter Leistungsmaße wie der maximalen Zeit oder der Anzahl der Klicks, die die Testpersonen zum Ausführen einer Aufgabe benötigen, messen.

Indem Usability Engineering über den gesamten Entwicklungsprozess – begonnen mit der Anforderungsanalyse bis hin zur finalen Software – integriert wird, können Systeme mit hoher Nutzerfreundlichkeit geschaffen werden. Bei der Implementierung der Urlaubsverwaltungs-App entschied die Utilitas sich für eine Cross-Platform Entwicklung mittels Xamarin. Die Cross-Platform Entwicklung hat im Vergleich zur nativen Entwicklung den Vorteil, dass eine App nicht von Grund auf für jede einzelne Plattform entwickelt werden muss. Im Fall der App zur Urlaubsverwaltung bauen alle drei Versionen (Android, iOS, WindowsPhone) auf demselben Grundgerüst auf, nur plattformspezifische Besonderheiten wurden hinzugefügt. Nicht immer ist die Cross-Platform Entwicklung die beste Alternative, bei einer App für mehrere Plattformen jedoch oftmals eine kostengünstige. Die native Entwicklung hingegen bietet den Vorteil, dass die meisten benötigten Bausteine bereits durch das SDK (Software-Developer-Kit) zur Verfügung gestellt werden und ohne Probleme auf die Hardware des Gerätes zugegriffen werden kann. Über Cross-Platform entwickelte Apps können über die herkömmlichen App Stores vertrieben werden. Die App zur Urlaubsverwaltung wird in den App Stores von Google, iOS und WindowsPhone verfügbar sein. Die Desktopversion ist bereits als Web-App bei der Utilitas GmbH erhältlich.

Die Zusammenarbeit des Steinbeis-Teams mit einem mittelständischen Unternehmen wie der Utilitas GmbH zeigt, wie wertvoll der Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft ist, den die Steinbeis- Unternehmen mit ihren verschiedenen Schwerpunkten leisten. Zur Unterstützung von KMU bietet das Steinbeis-Transferzentrum Usability und innovative interaktive Systeme zur Informationslogistik daher Dienstleistern im Bereich der Softwareentwicklung praxisnahe Schulungen an. Ziel ist es, Methodenelemente des Usability Engineering in die Entwicklungsprozesse der Unternehmen zu integrieren, um sie auch gegenüber größeren Wettbewerbern konkurrenzfähig zu machen. Die Methodenelemente sind Teil eines vom Steinbeis-Transferzentrum entwickelten Baukastenmodells für KMU, das im Forschungsprojekt „KompUEterchen4KMU“, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, erarbeitet wurde.

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