Vom Traditionellen hin zu Industrie 4.0

Bildverarbeitung heute und in Zukunft

Die Bildverarbeitung hat sich in vielen Bereichen zu einer Schlüsseltechnologie entwickelt. Kaum ein Produktionsprozess ist ohne Bildverarbeitung in der gefragten Qualität bei gleichzeitig sinkenden Kosten denkbar. Große Treiber sind heute die industriellen Anwendungen: die Automobilindustrie mit ihrem großen Ziel autonomes Fahren, die Robotik, der medizinische Anwendungsbereich und nicht zu vergessen die Unterhaltungsindustrie, um nur einige der wichtigsten zu nennen. Aber auch viele nichtindustrielle Anwendungsbereiche benötigen bildverarbeitende Komponenten.

Daraus ergibt sich eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Alleine die deutsche Bildverarbeitungsindustrie hat im Jahr 2014 1,8 Milliarden Euro Umsatz (Inland und Export) getätigt. Das ist eine Steigerung von über 10% gegenüber dem Vorjahr. Für 2015 werden wieder Umsatzsteigerungen von knapp unter 10% erwartet, womit der Umsatz dann knapp an die Zwei-Milliarden-Grenze heranreicht.

Die Studie „Disruptive technologies: Advances that will transform life, business, and the global economy“ des McKinsey Global Institute aus dem Jahr 2013 hat diejenigen Technologiebereiche untersucht, die die größten wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen auf die Zukunft haben. In der Studie wird die Bildverarbeitung als wesentliche Schlüsseltechnologie („key enabling technology“) für viele der dort untersuchten Bereiche ausgemacht.

Ein eher traditionelles Verständnis der Bildverarbeitung ist, dass sie in Bereichen eingesetzt wird, in denen eine gewisse Genauigkeit und Schnelligkeit erforderlich ist und eher ermüdende Tätigkeiten über längere Zeiträume durchgeführt werden müssen. Das Kennzeichen solcher Anwendungen ist im Wesentlichen eine geringe Komplexität der Umgebung. Die aktuellen technischen Fortschritte im Bereich der Bildsensorik, der Speichertechnik, der Bilddatenübertragung, der Rechenleistung und vor allem der Algorithmik ermöglichen Anwendungen in Bereichen, die eine höhere Unstrukturiertheit und eine höhere Umgebungskomplexität aufweisen.

Gute Beispiele dafür sind die Bereiche autonomes Fahren und die moderne Robotik („advanced robotics“). In der Automobilbranche haben sich schon länger Fahrerassistenzsysteme etabliert. Solche Fahrerassistenzsysteme kommen nicht ohne eine Vielzahl von Sensoren aus, von denen einige in den Bereich bildgebender Sensoren einzuordnen sind. Damit sind dann beispielsweise Spurverlassenswarnungen, Verkehrszeichenerkennung, Spurwechselassistenten, Totwinkel-Überwachung und Notbremssysteme für den Fußgängerschutz möglich. Alle diese Systeme sind für sich betrachtet nützliche Systeme, sie sind aber darüber hinaus für das autonome Fahren absolut unverzichtbar. Der aktuelle Stand der Technik dabei ist weit fortgeschritten. Das größte (technische) Problem ist aktuell immer noch die hohe Umgebungskomplexität und damit das autonome Fahren unter allen Witterungsbedingungen, Jahres- und Tageszeiten und Verkehrsbedingungen.

Die moderne Robotik hat sich vom reinen Teach-In längst entfernt. Roboter sind in der Lage, ihren Arbeitsbereich auf Kollisionen zu überwachen, sie sind erheblich adaptiver bezüglich ihrer Umgebung und ihrer Aufgaben. In der Zukunft sollen Roboter und Mensch „Hand in Hand“ arbeiten. Sensoren und insbesondere die Bildverarbeitung spielen auch hier eine entscheidende Rolle.

Ein weiteres Beispiel ist Industrie 4.0, im internationalen Sprachgebrauch eher als „Internet of Things“ geläufig. Hier geht es um die zukünftig stark vernetzte Welt, in der Objekte (Dinge) zunehmend mit Sensoren, Aktoren und einer Kommunikationsanbindung ausgerüstet werden. Objekte der realen Welt können damit ihre Umwelt wahrnehmen, ihren aktuellen Zustand speichern und mitteilen, Instruktionen empfangen und Aktionen ausführen bzw. auslösen. Diese Technik wird die industrielle Produktion und die Arbeitswelt auch im nichtindustriellen Bereich revolutionieren, sie wird aber auch Auswirkungen auf den Alltag haben. Natürlich spielt hier nicht nur die Bildverarbeitung eine Rolle, sie wird aber als Schlüsseltechnologie angesehen.

Es lassen sich leicht viele weitere Bereiche finden, in denen die Bildverarbeitung eine große Rolle spielt und die die weitere Entwicklung aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung wesentlich vorantreiben. Auf den ersten Blick ein vielleicht weniger wichtiger, aber dennoch bedeutender Bereich ist der Consumermarkt oder Unterhaltungsbereich. Kaum ein Jugendlicher hat nicht ständig mit seinem Mobiltelefon eine Bildverarbeitungskomponente verfügbar, keine Spielekonsole kommt mehr ohne Kamera aus. Die Rechnerleistung dieser Komponenten ist mittlerweile beachtlich und so führen sie Aufgaben aus wie Gestenerkennung, Optical Character Recognition (OCR), Augmented Reality, 3D Bildverarbeitung und vieles mehr. Es ist eigentlich unerheblich, ob eher der Consumermarkt oder der industrielle Bereich Treiber der Entwicklungen sind, es lässt sich aber der Trend für die Zukunft in beiden Bereichen erkennen. 3D Anwendungen werden immer häufiger, möglicherweise werden sie in vielen Bereichen der Standard werden und auch weitere, neue Anwendungsbereiche erschließen. Die Miniaturisierung wird fortschreiten, immer mehr Anwendungen werden mit eingebetteten BV-Systemen ausgestattet. Schließlich wird auch die Bedeutung von Technologien, die heute noch nicht gängig sind, steigen. Hier ist die Anwendung von spektral auflösender Bildverarbeitung („spectral imaging“) zu nennen, die zusätzlich zur reinen Bildinformation spektrale Information in den einzelnen Pixeln liefert. Anwendungen sind beispielsweise in der Astronomie längst gängig, durch Miniaturisierung und deutlich fallende Preise wird diese Technik aber auch in der industriellen Bildverarbeitung verfügbar und liefert dort wertvolle Zusatzinformationen für die Bildanalyse.

Die schnell fortschreitende Entwicklung der Bildverarbeitung, die hohe Verfügbarkeit auch im Alltag und damit die Gewöhnung an eine Technologie bergen eine Gefahr: Es wird nicht mehr erkannt, wie komplex das Anwendungsgebiet in Wirklichkeit ist. Dem muss durch gute Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich entgegengewirkt werden. Durch die besonders hohe Bedeutung der Bildverarbeitung im Bereich Internet der Dinge/Industrie 4.0 gehört eine Grundlagenausbildung eigentlich in jedes solide ingenieurswissenschaftliche Studium, zumindest als Wahlfach. Der Technologietransfer aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist ebenfalls in der Lage, wertvolle Beiträge zu diesem sich schnell entwickelnden Gebiet zu liefern. Deutschland verfügt über viele Bildungs-, Forschungs- und Technologietransfereinrichtungen mit hervorragenden Experten auf dem Gebiet der Bildverarbeitung und hat auf dem internationalen Markt eine führende Position. Es ist für die weitere Entwicklung der Industrie- und Wissensgesellschaft eminent wichtig, dass dies so bleibt.

Kontakt

Professor Dr. Ulrich Klauck leitet das Steinbeis-Transferzentrum Bildverarbeitung und Angewandte Informatik an der Hochschule Aalen. Die Steinbeis-Experten am Zentrum bieten ihren Kunden Dienstleistungen auf den Gebieten Bildverarbeitung und Mustererkennung, Farbmessung, -vergleich und -erkennung, Thermographie sowie Hochgeschwindigkeitsbildaufnahme und -verarbeitung.

Professor Dr. Ulrich Klauck
Steinbeis-Transferzentrum Bildverarbeitung und Angewandte Informatik (Aalen)
SU0530@stw.de

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