Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Sensoren sind häufig technische Nachbildungen einiger Sinnesorgane des Menschen. Digitale Bildsensoren haben eine besondere Bedeutung erreicht. Die Bildverarbeitung ist ein relativ junges Gebiet. Sie entstand und wuchs mit den technischen Möglichkeiten der elektronischen Aufnahme, Übertragung und Auswertung von Bildern.

Eine Reihe von Meilensteinen prägt ihre Entwicklung. Entscheidend für den Durchbruch zur breiten industriellen Anwendung war jedoch 1974 die Entwicklung von Halbleiterbildsensoren durch Willard Boyle und George E. Smith in den USA und von Mikroprozessoren, ebenfalls in den USA. Der Start der praktischen technischen Nutzung lässt sich etwa auf das Jahr 1980 datieren. Kennzeichnend für die Bildverarbeitung und deren industrielle Anwendung sind seither ein ständiges Wachstum, meist im zweistelligen Prozentbereich, sowie die Schaffung von anspruchsvollen Arbeitsplätzen mit Forschungs- und Entwicklungscharakter und hoher Wertschöpfung.

Die Bildverarbeitung stellt das technische Analogon zum menschlichen Sehsinn dar und hat in der Technik ähnliche Bedeutung wie die Fähigkeit des Menschen, Bilder aufzunehmen und zu verarbeiten. Mehr als 90% der Informationen über seine Umwelt nimmt der Mensch über seinen Sehsinn auf. Ähnlich verhält es sich in der Technik: Bildsensoren liefern von allen Sensoren die größten Informationsmengen und Datenströme. Wie beim Menschen das System Auge – Sehnerv – Hirn besteht ein Bildverarbeitungssystem ebenfalls aus der Bildaufnahme (Kamera), der Verbindung (Schnittstelle) und der Bildauswertung (Rechner mit Software). Ein zentrales Element bildet dabei die Nachahmung der menschlichen Fähigkeiten des Sehens und Erkennens bis hin zur künstlichen Intelligenz. Das menschliche Auge hat 6–7 Millionen Zäpfchen zum Farb-Sehen, 75-150 Millionen Stäbchen zum Schwarzweiß-Sehen, eine sehr hohe Dynamik und Lichtempfindlichkeit, nahe 180 Grad Sehwinkel, scharfes Sehen im Zentrum, Stereobildaufnahme, Farbbilderfassung, Vorverarbeitung von Informationen bereits im Auge, einen Sehnerv mit 1 Million Nervenfasern sowie bewegliche Augen und Kopf. Im Gehirn erfolgen die parallele Auswertung, die Erkennungsfähigkeit aus Fragmenten, die Fähigkeit der Detektion von Kanten in gestörten Bildern und Farbkorrekturverfahren. Das menschliche Gehirn ist den modernen Softwarealgorithmen zur Auswertung von Bildern haushoch überlegen. Andere technische Sensoren erreichen hingegen bereits die Leistungsfähigkeit der menschlichen Sensoren. Im Vorteil sind technische Sensoren, wenn es darum geht, beispielsweise die Messgröße Länge objektiv zu messen, während der Mensch nur schätzen kann. Außerdem sind technische Sensoren in der Lage, 24 Stunden am Tag in schneller Folge ohne Ermüdung zu arbeiten.

Digitale Sensoren und Bildverarbeitungssensoren sind Schlüsseltechnologien. Neben vielen anderen Gebieten sind wesentliche Anwendungsgebiete der digitalen Bildverarbeitung die industrielle Qualitätssicherung und die Messtechnik, die etwa 80% aller Anwendungen betreffen. Erst rund 20% aller möglichen Anwendungen sind bisher bekannt und erschlossen (Schwarzkopf 2006).

Die digitale Bildverarbeitung in der Industrie, vor allem in den Bereichen Medizin, Verkehr, Sicherheitstechnik und Verteidigungstechnik sowie in der Gesellschaft gewinnt rasant an Bedeutung. Attribute wie Digitalisierung, Miniaturisierung, Smart, Standardisierung, weltweit vereinheitlichte Schnittstellen, Farbfähigkeit und wirtschaftlich erschwingliche Preise beschleunigen die Integration von Sensor- und Bildverarbeitungstechnologien in Produkte, Prozesse und Dienstleistungen. Digitale Sensoren und Bildverarbeitung (smart-Techniken) in Verbindung mit modernen Mikroprozessoren und Signalprozessoren revolutionieren die Gesellschaft. Diese Entwicklung wird weiter rasant voranschreiten. Beispiele dafür sind autonom fahrende Kraftfahrzeuge, Assistenzsysteme im Auto und Smartphones.

In der aktuellen Ausgabe der TRANSFER beleuchten wir das Fokusfeld der Sensorik und Bildverarbeitung näher und stellen Ihnen Steinbeis-Experten und -Projekte vor. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre!

Ihr

Prof. Dr.-Ing. habil. Gerhard Linß

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. habil. Gerhard Linß ist Gründer des Steinbeis-Transferzentrums Qualitätssicherung und Bildverarbeitung und Gründungsgesellschafter der Steinbeis Qualitätssicherung und Bildverarbeitung GmbH. 2004 erhielt das Steinbeis-Team um Gerhard Linß gemeinsam mit der Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH den Transferpreis der Steinbeis-Stiftung – Löhn-Preis für das gemeinsame Projekt „ViSCAN: präzise Messmethode mit Licht“, 2008 für ein mit der WAFIOS AG entwickeltes Bildverarbeitungssystem zur Qualitätskontrolle in der Federnproduktion. 2011 schließlich wurde das Zentrum gemeinsam mit der NT TOOL Corporation ausgezeichnet für das Projekt „Intuitive Software für ein neues optisches Werkzeugvoreinstellgerät“.

Seite teilen