Steinwurf!

Ist das wirklich Fortschritt? Gedanken über den Wert des Neuen

Erich Kästner schrieb in einem seiner bekanntesten Gedichte über den „Fortschritt der Menschheit“: „Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,/ behaart und mit böser Visage./ Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt/ und die Welt asphaltiert und aufgestockt,/ bis zur dreißigsten Etage. […]/ So haben sie mit dem Kopf und dem Mund/ Den Fortschritt der Menschheit geschaffen./ Doch davon mal abgesehen und/ bei Lichte betrachtet sind sie im Grund/ noch immer die alten Affen.“ Kurzum sagt Kästner: Vieles von dem, was wir Fortschritt nennen, hat uns und die Welt nicht wirklich voran gebracht. Im Grunde treten wir trotz allen Fortschreitens auf der Stelle. Dies ist eine Sichtweise auf den „Fortschritt der Menschheit“.

In Georg Christoph Lichtenbergs berühmtem Bonmot spiegelt sich eine andere Sichtweise wider: „Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“ Es gibt dort etwas, in den Tiefen unseres Menschseins, das uns zum Fortschritt antreibt und uns an den Fortschritt glauben lässt, ein unhintergehbares und unbedingtes Gefühl: Das Hier und Jetzt, an dem der Mensch gerade steht, empfindet er als niemals gut (genug); stets verspürt er, dass es doch zumindest etwas Besseres geben müsste als das Bestehende. Irgendwie empfinden wir Menschen immer so, wie der Esel in dem Märchen der „Bremer Stadtmusikanten“, der sinngemäß feststellt: etwas Besseres als das Hier und Jetzt findest Du überall.

Der Glaube an das immerfort bessere Dort und Dann erscheint tief in unserer Existenz verankert. Allein ein Glaube ist uns in unserer Modernität und Aufgeklärtheit dann doch zu wenig und daher verwundert es nicht, dass wir versuchen, unseren Fortschrittsglauben auch zu rationalisieren. Eine mögliche Argumentation besteht hierin: Unsere heutige Welt befindet sich ständig auf dem Sprung. Und daher müssen auch Volkswirtschaften und Unternehmen ständig daran arbeiten, selbst einen evolutionären oder gar revolutionären Sprung zu machen. Die Fähigkeit und die Bereitschaft zum stetigen Fortschreiten oder gar zum Verlassen eingeschlagener Wege entscheiden über das Schicksal sowohl von Volkswirtschaften als auch von Unternehmen.

Als Vehikel des Fortschritts dient die Innovation, eben jenes tätige Wirken, bei dem Neues Wirklichkeit wird. Unser Glaube, dass Fortschritt an sich stets etwas Gutes ist, führt dazu, dass wir auch alles, was da als „Innovation“ daher kommt, tendenziell ebenso als etwas verspüren, das an sich gut ist. Innovation – dieser Begriff wird geradezu inflationär auch und gerade in der Management-Literatur verwendet. Innovation – so lautet zusammengefasst das offene Geheimnis – ist der beste und nachhaltigste Weg zu mehr Wettbewerbsfähigkeit, zu mehr Gewinn und Umsatz und überhaupt zu mehr an allem.

Abseits dieser naiven Begeisterung für den Fortschritt und eines unkritischen Kults um den Begriff der „Innovation“ müssen jedoch diese Fragen gestellt werden: Was bringt der Fortschritt wirklich? Was ist das Neue eigentlich wert? Wird durch eine Innovation nun alles besser oder doch nur anders?

Es war nach unserer Meinung an der Zeit, einen Begriff zu bestimmen und zu begründen, in dem sich zeigt, was der Wert des Neuen, was der Wert einer Innovation ist. Wir nennen diese Größe: InnovationsQualität oder kurz InQ. Sie steht im Mittelpunkt unserer Publikation „InnovationsQualität. Über den Wert des Neuen“, die in der Steinbeis-Edition erhältlich ist.

„Steinwurf!“ ist eine neue Rubrik im Transfermagazin, in der in regelmäßigen Abständen spezifische Themen mal im Sinne eines tatsächlichen Steinwurfs, mal im Sinne des nord- bzw. süddeutschen Wurfs eines Steins in den Garten behandelt werden.

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