„Deutsche Unternehmen sollten chinesische Wettbewerber niemals unterschätzen“

Im Gespräch mit Elliot Papageorgiou, Referent beim Steinbeis-Symposium Sicherheit im Unternehmen

Herr Papageorgiou, der Schutz von Informationen und Know-how im Unternehmen steht immer mehr im Fokus der öffentlichen Diskussion. Ihre Kanzlei Rouse & Co. International ist einer der namhaftesten Kanzleien für IP-Management in China. Wie unterstützen Sie Unternehmen in Deutschland?

Deutsche Großunternehmen sind im Allgemeinen im Bereich Schutzrechte sehr gut beraten. Rouse konzentriert sich darauf, mit deutschen Unternehmen Strategien und Prozesse zu Schutzrechten für die asiatische Region und vor allem für China anzupassen. Dieser Prozess erfordert ein höheres Problembewusstsein der deutschen Geschäftsleitung für die unterschiedlichen Ansätze einer erfolgreichen Schutzrechtstrategie in China. Wir prüfen aktuelle Schutzrechtstrategien, um Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen, und recherchieren zu lokalen Wettbewerbern. Darüber hinaus unterstützen wir bei der Implementierung einer Strategie zur Beobachtung der Schutzrechte der Wettbewerber; wichtig sind außerdem Empfehlungen, ob und wann Rechte von Mitbewerbern angegriffen werden sollten und wie bei schutzrechtrelevanten Klagen in China der größte Effekt erreicht werden kann.

Deutsche Unternehmen sind schon seit längerem auf dem chinesischen Markt aktiv, doch die Herausforderungen der fremden Wirtschaftskultur sind nach wie vor vorhanden. Welche Probleme ergeben sich für deutsche Unternehmen in China?

Die größte Herausforderung für deutsche Unternehmen in China ist meiner Meinung nach heute die gleiche wie schon seit etwa zehn Jahren – es werden Entscheidungen in China auf Basis der Erfahrungen in anderen Teilen der Welt getroffen. Dies beginnt mit der Strategie zur Registrierung von Schutzrechten: In Deutschland existiert für die Unternehmen ein wirksames System der Schutzrechte, auf das sich die Unternehmen verlassen können, sie müssen daher nur die Rechte anmelden, die sie wirklich nutzen. In China ist die Lage umgekehrt – das Schutzrechtsystem ist schwächer, daher müssen Unternehmen mehr Rechte registrieren, insbesondere Rechte, bei denen ein Verlust an oder die Übernahme durch einen Wettbewerber vermieden werden muss. Was sich in den vergangenen zehn Jahren geändert hat, ist die enorme Explosion der Schutzrechte chinesischer Unternehmen. Dadurch besteht für deutsche Unternehmen ein größeres Risiko, in China wegen der Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum von chinesischen Unternehmen verklagt zu werden. In der Vergangenheit war die erste Frage, die wir Klienten beantworten mussten, welche Maßnahmen gegen chinesische Schutzrechtverletzungen ergriffen werden können. Heute recherchieren wir als erstes, ob lokale Schutzrechte von Wettbewerbern existieren. In den vergangenen drei Jahren habe ich ein Dutzend europäische Unternehmen als Beklagte in Schutzrechtverfahren beraten, wobei die Kläger lokale chinesische Inhaber von Schutzrechten waren.

Welche Entwicklung der Situation erwarten Sie im Hinblick auf die aktuellen Tendenzen?

China muss sich ganz klar in der Produktionswertschöpfungskette nach oben bewegen – dies wurde in den Fünfjahresplänen eindeutig benannt. Es wird zunehmend echte Innovationen aus China geben – nicht nur kleine oder kostensenkende Verbesserungen, sondern echte Innovationen. Infolgedessen werden deutsche Unternehmen zunehmend auf Hindernisse stoßen, wenn sie versuchen, sich in China zu etablieren. Wir dürfen chinesische Unternehmen nicht mehr nur als Nachahmer betrachten, sondern müssen in ihnen immer mehr Wettbewerber sehen. Seit der erfolgreichen Klage des chinesischen Unternehmens CHINT gegen das französische Unternehmen Schneider Electric auf etwa 23 Millionen US-Dollar, haben chinesische Unternehmen keine Angst mehr, ausländische Unternehmen wegen der Verletzung von Schutzrechten anzugreifen. Meiner Meinung nach wird sich dieser Trend fortsetzen und verstärken. Außerdem erwarte ich, dass immer mehr chinesische Unternehmen internationale Patente einreichen.

Der Mittelstand mit seinen zahlreichen KMU spielt in Deutschland eine wesentliche Rolle. Ist es für diese kleinen Unternehmen schwierig ihre Rechte in China durchzusetzen?

KMU müssen zur Durchsetzung von Schutzrechten in China zuerst einmal über Schutzrechte in China verfügen, und genau in diesem Punkt haben viele kleine und mittelständische Unternehmen Nachholbedarf. Wenn sie ihre Rechte in China registrieren lassen, sind sie in der Lage, den Entwicklungsstand der Technik in China zu definieren, erhöhen ihre Chancen auf gegenseitige Lizenzierung und schützen ihre Marktposition in China. Deutsche Unternehmen können unabhängig von ihrer Größe Schutzrechte auf die eine oder andere Weise durchsetzen, allerdings sehe ich hier einen erheblichen Beratungsbedarf bei KMU. Es existieren große wirtschaftliche Potenziale sowohl im Technologietransfer als auch bei Exporten von Produkten und bei der Lizenzvergabe. Gerade die Tätigkeit des Steinbeis-Transferzentrums Infothek ist hier ein wichtiger Beitrag. Erfahrene Partner sind essenziell für den Erfolg mit Schutzrechten im Ausland. Es wird in Zukunft wichtig sein KMU sowohl inhaltlich als auch finanziell zu fördern.

Die chinesischen Patentanmeldungen steigen explosionsartig an. Wie beurteilen Sie die Qualität und Quantität?

In den elf Jahren meiner Tätigkeit in China habe ich sowohl solide lokale Patente und Gebrauchsmuster kennengelernt, aber auch solche, die ich schlicht als „Schrottpatente“ bezeichnen würde. Ich denke, dass es China bewusst ist, dass Zuschüsse für Patentanmeldungen ein recht stumpfes Instrument zur Förderung von Innovationen sind. Solche Zuschüsse richten sich nach der Anzahl der Anmeldungen, was bedeutet, dass „Masse statt Klasse“ gilt. Ich gehe davon aus, dass die chinesischen Behörden Richtlinien implementieren werden, um die Qualität der chinesischen Patentanmeldungen zu erhöhen. Das heißt aber auch, dass das aktuelle System noch geraume Zeit existieren wird, die Qualität der Patente und Gebrauchsmuster also ein Problem bleibt, denn sie haben zweifellos einen Einfluss auf deutsche Unternehmen: Denn alle Patente und Gebrauchsmuster, die in China angemeldet werden, werden offiziell zum Teil des Entwicklungsstandards, der bei Neuanmeldungen in Deutschland berücksichtigt werden muss. Je mehr Unterlagen also in China eingereicht werden, umso mehr ältere Rechte existieren, die bei neuen deutschen Patenten und deren Interpretation berücksichtigt werden müssen. Ich empfehle deutschen Unternehmen, ihre Recherchestrategien für chinesische Schutzrechte zu aktualisieren, damit sie relevante ältere Rechte kennen. Auf diese Weise können deutsche Unternehmen auch erkennen, aus welcher Richtung zukünftige Risiken von chinesischen Mitbewerbern kommen werden.

Geben Sie deutschen Unternehmen, die mit ihren Produkten in China tätig sein wollen, einen Rat: Was sollten sie beachten? Wie sollten sich deutsche Unternehmen am besten auf zukünftige Herausforderungen in China vorbereiten?

Vor zehn Jahren hätte ich deutschen Unternehmen empfohlen, zu prüfen, ob sie alle Rechte registriert haben, die sie nicht verlieren wollen. Heute empfehle ich, dass sie eine Recherche zur „Handlungsfreiheit“ durchführen, um sicherzugehen, dass sie keine lokalen chinesischen Schutzrechte verletzen. Deutsche Unternehmen sollten chinesische Wettbewerber niemals unterschätzen. Um sinngemäß aus der „Kunst des Krieges“ von Sunzi zu zitieren: Nur wenn deutsche Unternehmen ihre eigenen Stärken und Schwächen sowie die Stärken und Schwächen ihrer chinesischen Mitbewerber kennen, werden sie erfolgreich sein, wenn es zum Kampf um Schutzrechte in China kommt!

Kontakt

Elliot Papageorgiou ist Partner der Kanzlei Rouse & Co. International und war sowohl in London wie auch in den letzten 11 Jahren in Peking, Guangzhou und Schanghai tätig. Er berät europäische Unternehmen zu ihren Schutzrechtstrategien und wie sie in China mit ihren Schutzrechten erfolgreich den Markt erschließen sowie ihre Schutzrechte in China schützen und durchsetzen können. Seit drei Jahren referiert er auf dem Steinbeis- Symposium Sicherheit im Unternehmen in Villingen- Schwenningen.

Elliot Papageorgiou
Rouse & Co. International

Wolfgang Müller
Steinbeis-Transferzentrum Infothek (Villingen-Schwenningen)
wolfgang.mueller@stw.de

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