„Der Verbrennungsmotor wurde und wird weiter erfolgreich intensiv erforscht und entwickelt!“

Im Gespräch mit Experten am Steinbeis-Transferzentrum Fahrzeugtechnik Esslingen

Herr Professor Walliser, vor 20 Jahren haben Sie das Steinbeis- Transferzentrum (STZ) Fahrzeugtechnik Esslingen gegründet. Die Automobilindustrie entwickelt sich rasant, zwei Jahrzehnte kommen hier einer Ära gleich. Wo lagen zu Beginn Ihre Tätigkeitsschwerpunkte und wie haben sie sich im Laufe der Zeit verändert?

Die Gründung unseres Steinbeis-Transferzentrums ergab sich sehr stark durch die Empfehlung aus der Automobilindustrie. Es war die Zeit einer Krise, in der in der Industrie wenig eingestellt wurde, aber Aufträge und Geld vorhanden waren. Absolventen hatten kaum eine Chance auf Einstellungen, sodass wir sie bei Steinbeis beschäftigten. Dies war vorteilhaft für die Industrie und für die Absolventen. Bei der Gründung unseres STZ gingen wir bewusst davon aus, keine „Firma“ mit Mitarbeitern aufzubauen, sondern lediglich das Know-how der Kollegen und der modernen Hochschuleinrichtungen der Industrie zur Verfügung zu stellen. Heute sind dies 17 Experten, die aus allen Gebieten der Fahrzeugentwicklung kommen. Zurzeit liegen die Schwerpunkte bei Antrieben, Service und internationalen Kursen für Studierende und Ingenieure aus China, Indien, Mexiko, etc.

Vor 20 Jahren waren bei der Ausbildung von Maschinenbau- und Fahrzeugtechnik- Ingenieuren die Fächer Informatik und Elektrik noch schwach vertreten und die Wichtigkeit der Regelungstechnik für das Fahrzeug ohne Elektronik schlecht vermittelbar. Heute sind solche Fächer sehr wichtige Bestandteile der Ausbildung. Es war kaum vorstellbar, wie schnell Navigation oder halbautomatisches Fahren in die Serie eingingen. Das internationale Projekt Prometheus war anfangs sehr hilfreich dafür, in dem unser STZ in kleinen Teilen beteiligt war. Heute ist vollautomatisches und unfallfreies Fahren mit an erster Stelle bei der Entwicklung von Fahrzeugen zu nennen, gleichrangig sind elektrische, hybride und brennstoffzellen-bezogene Antriebe, wobei momentan kaum jemand genau sagen kann, inwiefern diese nennenswert in der Serie Eingang finden werden. Beim Elektroauto ist nach wie vor die Batterie das Problem und beim Brennstoffzellenfahrzeug auch der Preis. Dabei darf natürlich nicht übersehen werden, dass der Verbrennungsmotor weiter erfolgreich intensiv erforscht und entwickelt wurde und wird!

Herr Professor Rottenkolber, Herr Professor Walliser, Ihr Steinbeis- Unternehmen beschäftigt sich auch mit dem Thema Fahrzeugmechatronik. Diese Thematik eröffnet viele neue Möglichkeiten, bringt aber vor allem auch im Hinblick auf die Globalisierung neue Herausforderungen mit sich. Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Problemstellungen, die die Branche beschäftigen?

Ein Megatrend der Zukunft, der durch mechatronische Systeme ermöglicht werden könnte, ist das autonome Fahren. Schon im kommenden Jahrzehnt scheint es möglich zu sein, dass intelligente Elektronik die Rolle des Fahrers übernimmt. Mit den modernen radar- und kamerabasierten Fahrerassistenzsystemen, die schon heute in Serienfahrzeugen verfügbar sind, wurde der Einstieg in diese Zukunftsvision bereits vollzogen. Damit ist es lediglich eine Frage der Zeit, wann diese Systeme so weit entwickelt sind, dass sie das Verkehrsgeschehen rund um das Auto beobachten und dieses in Verbindung mit einem leistungsfähigen Computer lenken, bremsen und beschleunigen können. Bei aller Phantasie der Ingenieure und bei aller Vielfalt der technischen Möglichkeiten sollten aber immer die Bedürfnisse des Fahrers in den unterschiedlichsten Regionen der Welt im Mittelpunkt der Entwicklung stehen. Diese neuen Assistenz-, Komfort- und Sicherheitssysteme verlangen künftig zusätzliche Energie in Fahrzeugen, die bisher nicht gekannte Forderungen an das Bordnetz stellen. Das heutige 12-Volt-Bordnetz stößt an seine Grenzen, weil damit maximal 3 Kilowatt (kW) darstellbar sind. Oberklassefahrzeuge benötigen heute in der Spitze schon deutlich mehr. Der vieldiskutierte E-Lader für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor wird für weiteren Energiebedarf sorgen. Eine mögliche Lösung ist ein neues Bordnetz mit 48-Volt, das bis zu 12 kW Anschlussleistung realisiert. Hybridautos besitzen bereits ein Hochvolt-Bordnetz mit bis zu 400 Volt. Im Vergleich zu einer 48V-Lösung ist dies aber mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Dies sind allerdings nur zwei Beispiele für Trends in der Fahrzeugtechnik, die durch mechatronische Systeme erst ermöglicht werden. Heute wird nahezu jede Fahrzeugsparte von Mechatronik dominiert, sei es der Antriebsstrang mit seinem immer höheren Grad an Elektrifizierung, das aktive Fahrwerk oder die automatisiert betätigten Karosserieelemente.

Herr Professor Rottenkolber, an die Fahrzeugtechnik werden heute komplexe Anforderungen gestellt: Sie soll wirtschaftlich, umweltfreundlich, sicher und einfach zu bedienen sein. Diese Aspekte werden stark vom Antriebsstrang beeinflusst. Wie sieht Ihrer Meinung nach der Weg zu sauberen, sparsamen und kostengünstigen Antrieben aus?

Die Innovationstreiber in der Fahrzeugtechnik im Besonderen im Antriebsstrang sind Effizienzsteigerung und Umweltfreundlichkeit. In 2021 wird ein C02-Grenzwert für den Flottenverbrauch von 95 g/km gelten. Außerdem werden die Grenzwerte für toxische Schadstoffe auch über Veränderungen in den Fahrzyklen weltweit verschärft. Gleichzeitig soll Mobilität aber auch bezahlbar bleiben. Für solche komplexe Anforderungen gibt es in der Regel keine einfachen technischen Lösungen. Die Antriebsentwicklung wird noch über Jahre von der Optimierung des Verbrennungsmotors dominiert sein. Als hochkomplexe Einheit im Gesamtsystem des Antriebstrangs bietet er auch zukünftig noch Potenzial für eine weitere Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung zu moderaten Kosten. Dies gilt für den klassischen Verbrennungsmotor als alleinigen Antrieb, wie auch in Kombination mit einem Elektromotor mit unterschiedlicher Ausprägung von Hybridsystemen. Downsizing-Konzepte – kleine Motoren mit Abgasturboaufladung – stellen große Herausforderungen an die konstruktive Auslegung und an die Werkstoffe. Technologien zur Reibungsreduzierung stehen ebenfalls im Fokus. Eine weitere Optimierung bestehender Brennverfahren sowie die Entwicklung von zukünftigen Verbrennungskonzepten, an denen auch unser Zentrum seit Jahren forscht, besitzen zusätzliche Potenziale hinsichtlich Verbrauch und Emissionen. Aber auch neue Kraftstoffe werden zukünftig eine größere Rolle in der Entwicklung spielen. Einer der wichtigsten Trends in der Automobilindustrie auf dem Weg zur nachhaltigen Mobilität wird in den nächsten Jahren die Weiterentwicklung und Großserieneinführung von elektrischen Fahrzeugen sein. Haupttreiber ist das Ziel der Emissionsreduzierung in zahlreichen Regionen der Welt, insbesondere in Mega-Cities. Als Reichweitenverlängerung für das Elektrofahrzeug wird seit Jahrzehnten die Brennstoffzelle entwickelt und steht auf dem Sprung in die Serienfertigung. Allerdings müssen Aufwand und Kosten zur Produktion dieser neuen Antriebstechnologien genauso wie die Kosten für die alternativen Energieträger im Auge behalten werden.

Herr Professor Wolfmaier, Werkstoffe und Fertigungskonzepte für Fahrzeugkarosserien entwickeln sich kontinuierlich weiter und stellen neue Herausforderungen an Entwickler und Produzenten: Wo sehen Sie momentan den größten Handlungsbedarf?

Seit Jahrzehnten stehen Karosserieentwickler in der Pflicht, den stetig wachsenden Anforderungen der Gesetzgeber in Bezug auf Abgasgrenzwerte und Crashsicherheit von Fahrzeugen mit den Instrumenten des Leichtbaus zu begegnen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Kunden an immer höhere Komfortansprüche gewöhnt haben. Den vom Gesetzgeber in Aussicht gestellten Zielwerten für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß einer Fahrzeugflotte für die kommenden Jahrzehnte ist alleine mit konventioneller Weiterentwicklung von Materialien und Fertigungsverfahren nicht mehr zu begegnen. Die Entwicklung neuer Antriebe steht deshalb im Mittelpunkt. Der Elektromobilität fällt hierbei eine bedeutende Rolle zu, sie geht allerdings mit einer eklatanten Gewichtszunahme der Gesamtfahrzeuge einher. Der Karosserieentwickler ist hier gefordert, mit neuen Leichtbaukonzepten dem Mehrgewicht kompensatorisch entgegenzuwirken.

Derzeit sind zum weiteren Schutz der Fahrzeuginsassen im Unfallgeschehen Crash-Szenarien in der Diskussion, die Passagiere auf den Rücksitzen besser schützen sollen. Ferner sind die Fußgänger im Unfallgeschehen mit Fahrzeugen in den letzten Jahren in den Blickpunkt der Gesetzgeber gelangt, das hat gewichtsträchtige Maßnahmen am Vorderwagen der Fahrzeuge zur Folge. Insofern bleibt das Thema Leichtbau weiterhin im Mittelpunkt der Karosserieentwickler. Faserverbundwerkstoffe können neben anderen etablierten Leichtbauwerkstoffen wie hochfeste und höchstfeste Stähle, Aluminium und Magnesium eine bedeutende Rolle einnehmen. Weder aus ökonomischen noch aus ökologischen Gesichtspunkten empfiehlt es sich aber zurzeit Kohlefaserverbundstrukturen in der Großserie im Fahrzeugbau einzusetzen. Die Erforschung der Faserverbundwerkstoffe im Hinblick auf Betriebsfestigkeit und Crashverhalten steckt noch in den Kinderschuhen. Wir benötigen daher interdisziplinäre Allianzen in den Ingenieurwissenschaften für die Weiterentwicklung und Absicherung neuer Materialien, neuer Fertigungs- und Montageverfahren. Die Welt der Automobilentwickler muss sich den ökologischen Anforderungen der Gesetzgeber stellen. Nur mit hohen Anstrengungen in Forschung und Entwicklung wird es möglich sein, eine sichere, umweltverträgliche und komfortable Mobilität zu erhalten.

Kontakt

Professor Dipl.-Ing., Prof. h.c. (YZU) Gerhard Walliser und Professor Dr.-Ing. Gregor Rottenkolber sind Leiter des Steinbeis- Transferzentrums Fahrzeugtechnik Esslingen und beschäftigen sich intensiv mit den Themen Fahrzeugantriebe und Fahrzeugmechatronik. Professor Dipl.-Ing. Christof Wolfmaier ist Dekan der Fakultät Fahrzeugtechnik an der Hochschule Esslingen und als Projektleiter am Zentrum tätig.

Professor Dipl.-Ing., Prof. h.c. (YZU) Gerhard Walliser
Professor Dr.-Ing. Gregor Rottenkolber
Professor Dipl.-Ing. Christof Wolfmaier

Steinbeis-Transferzentrum Fahrzeugtechnik Esslingen (Waiblingen)
SU0270@stw.de

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